Was von Corona bleibt | SWR Nachtcafé

Begrüßung der Gäste . (Ruhige Musik) Es war nirgendwo, dass ich dann Corona geleugnet habe oder so was, sondern ich habe einen anderen Aspekt eingebracht. Aber ich wurde auch auf Twitter Massenmörder genannt. In dem Moment wusste noch keiner, was da mit mir passiert. Also, es kannte keiner Long Covid. Es war nicht bekannt, dass es Folgen gibt von Corona. Das erste Krankenhaus wollte Covid-frei bleiben, das zweite hat gesagt, sie haben keinen Platz. Ich habe dann gebeten, dass er an die Uniklinik Augsburg kommt. Schon fast den Rettungsdienst angefleht, weil ich ja dort tätig war. Und das hat man dann eben abgelehnt. Man sitzt mit 1.500 Leuten zusammen, die drängen sich an einem vorbei, husten einen an, ohne Maske, alles wunderbar. Kaum hat man den Saal verlassen, musste man Maske tragen im Foyer und bloß nicht unter der Nase. Nach der ganzen Geschichte haben meine Eltern mir das ermöglicht, mir mein eigenes Pferd zu kaufen. Das ist dann wirklich so das Einzige, wo ich abschalten kann, weil ich sage so, wenn ich nicht laufen kann, läuft mein Pferd für mich durchs Feld, durch den Wald. Das sind die einzigen Momente, wo ich mich normal fühle. (Lässige Musik) Herzlich willkommen im "Nachtcafé". Schön, dass Sie da sind. Hallo. Vielen Dank. Danke schön. Die Pandemie - danke schön - die Pandemie ist vorbei, aber sie hat tiefe Spuren hinterlassen. Sei es in Form von Long Covid oder Impfschäden, oder weil wir uns von sterbenden Familienmitgliedern im Krankenhaus nicht verabschieden durften. Und was heißt das auch für das Miteinander? Ist da Vertrauen verloren gegangen? "Was von Corona bleibt", das ist unser Thema heute im "Nachtcafé", und ich bin sehr gespannt auf diese Gäste. Was für Sie, Michaela Fischer, von Corona bleibt, ist eine tiefe Trauer. Denn Ihr Mann verstarb aufgrund einer Corona-Infektion. Unerträglich ist für Sie auch, dass Sie in den letzten Wochen und Stunden seines Lebens nicht bei ihm sein konnten, da die Klinik Ihnen den Besuch untersagte. Wir freuen uns, dass Sie heute bei uns sind. Herzlich willkommen, Michaela Fischer. - Hallo. Als regierender Bürgermeister von Berlin und zeitweise Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz waren Sie, Michael Müller, während der Pandemie in hoher politischer Verantwortung. Trotz zum Teil heftigen Gegenwinds, sehen Sie aber keine gesellschaftliche Spaltung als Folge der Corona-Politik. Was Sie heute dennoch kritisch und selbstkritisch sehen, das hören wir von Michael Müller, willkommen im "Nachtcafé". Hallo. Sie, Hendrik Streeck, wurden mit Ausbruch der Pandemie schlagartig ein bekanntes Gesicht. Dass Sie sich als Virologe zu einzelnen Maßnahmen skeptisch geäußert haben, brachte Ihnen massive Anfeindungen ein. Dennoch wurden Sie in den Ende 2021 eingesetzten Expertenrat der Bundesregierung berufen. Warum Sie heute eine Aufarbeitung der Pandemie-Politik fordern, das erfahren wir von Prof. Dr. Hendrik Streeck, herzlich willkommen. Ihr Leben, Selin Islami, änderte sich dramatisch, als Sie sich gegen Corona impfen ließen. Sie haben zahlreiche Krankenhausaufenthalte hinter sich und sind inzwischen meist auf einen Rollstuhl und die Hilfe Ihrer Mutter, Aylin Dalgül, angewiesen. Erfolgreich kämpften Sie um die offizielle Anerkennung der Krankheit als Impfschaden. Schön, dass Sie da sind, Selin Islami und Aylin Dalgül. Für Sie, Mathias Richling, war es nicht richtig, wegen eines Virus das ganze Land lahmzulegen. Mit den Möglichkeiten kabarettistischer Kommentare übten Sie Kritik, aber dass man damit ganz schnell unter Verdacht stand, Verschwörungstheoretiker zu sein, davon wissen Sie ein Lied zu singen. Herzlich willkommen, Mathias Richling! Sie, Martin Wiesmann, mussten miterleben, wie Ihr jüngstes Kind in der Coronazeit psychisch krank wurde. Mit der zweiten Schulschließung entwickelte Ihre bis dahin aufgeweckte Tochter eine Depression und später eine Magersucht. Wie Sie als Familie damit umgegangen sind und wie es Ihrer Tochter heute geht, darüber spricht bei uns Martin Wiesmann, ganz herzlich willkommen! Dass der Weg zur eigenen Haustür Sie eines Tages so anstrengen würde, wie früher Wanderungen im Gebirge, damit haben Sie, Sina Mahlstedt, im Traum nicht gerechnet. Denn Sie waren sportlich und immer aktiv, bis Sie sich mit Corona infizierten und seitdem am Post-Covid-Syndrom leiden. Wie Sie heute Ihren Alltag bewältigen - wir hören es von Sina Mahlstedt. Herzlich willkommen an Sie und herzlich willkommen noch mal an die ganze Runde. Michaela Fischer, ihr Mann verstarb einsam im Krankenhaus an Corona Frau Fischer, Sie und Ihr Mann haben sich im Dezember 2020 mit Corona infiziert. Ihr Mann ist dann im Januar einige Wochen später verstorben. Wie Sie die Wochen vor seinem Tod erlebt haben, darüber reden wir noch. Aber gehen wir noch mal ein Stück zurück. Sie haben Ihren Mann kennengelernt, da waren Sie, glaube ich, 19. Ja, genau. Einige Jahre später haben Sie geheiratet. Wie war Ihr Mann? Wie würden Sie ihn uns beschreiben? Eher so der Gegenpol. Eher so der ruhigere Mensch, aber fröhliche Mensch. Ja, immer aktiv und eigentlich ein Herzensmensch. Ein Herzensmensch. Also da war auch immer diese Herzensverbindung? Sie haben dann, als die Pandemie begann, in der Notaufnahme der Uniklinik Augsburg gearbeitet. - Ja. Sie sagen, Sie haben dort auch erlebt, dass immer mehr Menschen mit größter Atemnot eingeliefert wurden, viele gestorben sind. Hat Ihnen das damals Angst gemacht? - Ja. Tatsächlich hat uns das Angst gemacht beziehungsweise mir. Ich hab das auch immer wieder innerhalb der Familie erzählt zu Hause. Auch meinen beiden Kindern. Deswegen waren wir vielleicht auch damals schon besonders vorsichtig. Also wir haben uns wirklich auch an die Kontaktbeschränkungen gehalten. Klar, in der Arbeit musste man damals ja schon im Vorfeld, in der ersten Welle schon mit Mundschutz auch ... Wir hatten damals ja schon relativ früh mit Schutzkleidung gearbeitet und so. Aber die Angst ... - Impfung gab's ja noch nicht. Nein. - Aber die Angst haben Sie erlebt, auch als Familie? Ja. Sie beide haben sich dann bei Ihrer Tochter infiziert, mit Corona angesteckt. Wirkt das noch nach auch bei Ihrer Tochter? Ja, ganz massiv. Die hat massive Schuldgefühle. Mhm. Wobei sie ja zu uns nach Hause kam ohne irgendwelche Symptome. Sie hatte sich auch in der Arbeit angesteckt. Da kam eine Kollegin und die kam mit Symptomen Tage ... weil sie in die Arbeit mit Fieber und so weiter. Obwohl man zu ihr gesagt hat, sie soll nach Hause gehen. Damals gab's keine Schnelltests. Da musste man noch PCR testen. Das war kurz vor Weihnachten. Die wollte nach Hause reisen zu dem Zeitpunkt, nach Griechenland. Und ja, hat da natürlich etlichen Kollegen, und meine Tochter war Erzieherin, etliche Kinder auch in dem Kindergarten angesteckt. Wie gesagt, zu dem Zeitpunkt hatte meine Tochter keine Symptome und war eigentlich nur eine Stunde bei uns. Aber macht sich Vorwürfe im Nachhinein? - Ja. Sie beide waren dann schwerkrank, in Quarantäne. Sie beide haben auch Atemnot bekommen. Ihr Mann hatte 40 Grad Fieber irgendwann. Schüttelfrost. Wie ging's ihm da? Konnte er noch schlafen? Also die ... wie gesagt, wir haben uns infiziert kurz vor Weihnachten. Sonntag hat er die ersten Symptome bekommen, ich dann am Montag in der Früh. Wir gingen Montag zum Hausarzt, Dienstag erfolgte der PCR-Test. Oder da haben wir das Ergebnis bekommen. Er hatte dann aber wirklich schon an Tag fünf, also in der Zeit die typischen Symptome. Hatten wir beide. Beide hohes Fieber, Gliederschmerzen, Husten, was man halt so kennt an typischen Symptomen. Mein Mann hat dann wirklich Atemprobleme bekommen. Und das hatte sich dann an Tag fünf so hochgeschaukelt, dass er eben auch Atemnot hatte. Ich habe dann, ja, den Rettungsdienst geholt, weil er ja ... Es war dann in der Nacht, er konnte kaum mehr schlafen, natürlich nur erhöht schlafen, im Sitzen eigentlich. Ich hatte den Rettungsdienst geholt. Die kamen auch dann, haben meinen Mann mitgenommen und haben dann nach einer Odyssee an ... ja, wie soll ich sagen, Notaufnahmen probiert anzufahren. Die erste Klinik, da standen die mit dem Rettungswagen vor der Notaufnahme, die ließen meinen Mann gar nicht rein ins Krankenhaus. Der Rettungsdienst konnte nicht ausladen. Es ist richtig, dass sie ihn wieder zurückgebracht haben, weil niemand ihn genommen hat? - Genau. Nach vier Stunden. Wie hat man das begründet? - Weil man keine Klinik findet. Das erste Krankenhaus wollte Covid-frei bleiben, das zweite hat gesagt, sie haben keinen Platz. Ich habe dann gebeten, dass er an die Uniklinik Augsburg kommt. Schon fast den Rettungsdienst angefleht, weil ich ja dort tätig war. Und das hat man dann eben abgelehnt. Ihr Mann ist dann in der kommenden Nacht zu Hause noch mal zusammengebrochen. - Ja, genau. Ist dann doch ins Krankenhaus gebracht worden. Wie ging's ihm da? Haben Sie da noch mal mit ihm sprechen können? War er noch ansprechbar? Die Stunden danach - er wurde ja nach vier Stunden in der Nacht wieder zurückgebracht - waren sehr schwierig. Mir ging's ja auch sehr schlecht durch die Erkrankung. Ja, wir haben wenig gesprochen. Er hat hohes Fieber nach wie vor gehabt. Konnte natürlich ... hauptsächlich fast geschlafen, nur immer wieder mit der Luft natürlich Probleme gehabt. Er musste dann irgendwann in der Nacht auf die Toilette, kam aber nicht mehr hin, weil er dann zusammenbrach. Hat blaue Lippen gehabt, blaue Finger, war zyanotisch. Hatte er Angst vor dem, was kommt? Ja, ich glaube schon, das hat man auch gesehen. Ich hab dann wieder einen Notruf abgesetzt, der Rettungsdienst kam, auch wieder mit Notarzt. Dann hat man ihn wohl oder übel mitgenommen, wieder eines der besagten Krankenhäuser angefahren. Dann hat man ihn drei Tage auf der Normalstation liegen gelassen, ohne Beatmung, obwohl er eigentlich da mindestens schon High-Flow bekommen hätte müssen. Es ist für Sie nicht einfach, das alles wieder hochzuholen. Erst mal vielen Dank, dass Sie das tun, hier auch stellvertretend für andere. Sie haben sich dann dafür eingesetzt, weil es Ihrem Mann wirklich so schlecht ging, dass er doch in der Uniklinik Augsburg, wo Sie gearbeitet haben, auf die Intensivstation gekommen ist. Er musste dann auch ins künstliche Koma versetzt werden. Sie haben gesagt, es war kurz vor Weihnachten, an dem Tag war es ein Tag vor Heiligabend. Ist die Weihnachtszeit bis heute eigentlich eine schwierige Zeit? (bewegt:) Ja, sehr schwierig. - Sehr schwierig. Ich glaube, das können wir nur so weit nachvollziehen, dass wir es erahnen können. Richtig nachvollziehen können es nur die, die es erlebt haben. Sie konnten Ihren Mann zunächst nicht besuchen, weil Sie ja noch Corona-positiv waren. Irgendwann waren Sie beide ja auch negativ. Durften Sie dann zu ihm? - Nein. Ich durfte zweimal täglich auf der Intensivstation anrufen, immer um elf und abends gegen 19 und 20 Uhr. Es war dann ein Zwei-, Drei-Minuten-Gespräch. Da erfuhr man nur, was wieder an Untersuchungen gemacht worden ist. Wie es ihm geht, entweder verschlechtert, gleichbleibend, oder, ja, Verbesserung gab's ja da kaum. Dann eben diese Lagerung, 16 Stunden Bauchlage, acht Stunden Rückenlage. In der Bauchlage hat sich tatsächlich der Zustand immer wieder mal einigermaßen normalisiert. Zumindest so, dass man auch nicht mehr mit diesem unwahrscheinlichen Druck der Beatmung arbeiten musste. Zwischendrin hat's mal auch geheißen, er kommt an die ECMO, an die Herz-Lungen-Maschine. Das wurde dann kurzfristig wieder abgesagt, weil das Gerät für jemand anders gebraucht wurde. Aber Sie haben es immer nur gehört am Telefon. Sie konnten nicht bei ihm sein. Mit dieser Situation, nicht zu kranken oder sterbenden Angehörigen zu können, sie nicht besuchen zu dürfen, damit waren Sie nicht alleine. (Sprecher:) 180.000 Tote forderte die Pandemie in Deutschland. Besonders häufig traf es Alte und Pflegebedürftige. Fast jeder zweite Corona-Tote lebte zuvor in einem Pflegeheim. Der Anteil der mit Covid-19 in Heimen Gestorbenen lag 2020 und 2021 bei 45 Prozent. Die Maßnahmen, um ältere Menschen vor einer Ansteckung zu schützen, hatten beträchtliche psychosoziale Nebenwirkungen. So litten nicht nur Pflegebedürftige in Heimen unter der Isolation, sondern auch alleinlebende Alte, die ihre Kinder und Enkel nicht treffen durften. Und nicht selten führten die Kontaktbeschränkungen in den Krankenhäusern dazu, dass ein Abschied von sterbenden Angehörigen nicht mehr möglich war. Haben Sie das verstanden, Frau Fischer, dass Sie, obwohl Sie negativ waren, nicht zu Ihrem Mann konnten? Ja, zunehmend weniger, sag ich. Am Anfang hatte ich da schon noch Verständnis. Aber nachdem es meinem Mann kontinuierlich schlechter ging und wir auch wussten, dass wenig Überlebenschance da ist, war es für uns schon sehr schwierig. Vor allem für meine Tochter und mich, wir waren ja bereits negativ. Wir hatten die Krankheit ja durchgemacht. Von uns aus bestand ja kein Risiko. Weder ein Klinikpersonal anzu- stecken, wenn wir da reingehen ... Aber es war einfach ja nicht erlaubt. - Nein. Sie haben gesagt, Sie durften zweimal am Tag anrufen. Da haben Sie dann Informationen bekommen. Wie war das für Sie, zu Hause zu sein? Ihren Mann kannten Sie schon Jahrzehnte, Sie waren es gewohnt, mit ihm zu sein. Wie war es, wenn ein Anruf kam? Furchtbar. - Furchtbar? Ja. Also, wir hatten ja die Info erhalten von der Uniklinik, wenn es ihm schlechter geht oder sich was verändert, dann ruft uns die Klinik an. Ansonsten durften wir ja zu diesen Zeiten eben anrufen. Es war auch in der dritten Woche wirklich so, dass dann plötzlich ein Anruf kam. Dann hieß es, er verstirbt JETZT, hat aber dann noch zwei weitere Wochen gelebt. Das war wirklich das einzige Mal, wo wir dann reindurften. So eine ... Wie soll ich sagen? In voller Montur, Schutzkleidung. Wir hatten dann eine Krankensalbung machen lassen. Das war eine Stunde. Und sonst wären Sie aber immer bei ihm gewesen eigentlich. Ja. Ist es richtig, dass Sie sich auch versprochen haben, immer beieinander zu sein? - Ja. Ja. Ja? Eigentlich bis zum Schluss, egal, wenn wir irgendwie ... Mein Mann war ja immer der total Gesunde. Mit 58 Jahren nicht einmal irgendeine Erkrankung, keine Vorerkrankungen, nichts gehabt. Er war ja auch noch nicht alt. - Nein. Sie waren dann dort zum ersten Mal nach fünf Wochen. Sie haben gesagt, für eine Stunde. Wie war das? Das war in der dritten Woche tatsächlich. Also, auf der Intensiv beatmet, im Koma, mit Dialyse, mit ... also, mit ... mit ... künstlicher ... Ernährungsaufnahme. Also, alles, was man sich vorstellen kann. Konnten Sie ihm denn die Hand halten? Das war das Einzige. Ich durfte mich aber nicht setzen. Weil das Krankhaus genaue Vorgaben hatte. Man durfte nur am Krankenbett stehen, durfte zwar den Patienten berühren, aber natürlich, ich hatte doppelt Handschuhe an, Mundschutz, Haube, Schuhe, Kleidung, ja, Brille. Hatten Sie denn das Gefühl, er spürt, dass Sie da sind? Ja. Als wir den Anruf erhalten haben, war natürlich die Herz-Kreislauf- Situation sehr, sehr schlecht, dass man wirklich damit gerechnet hat, er verstirbt in den nächsten Stunden. Als wir dann kamen, meine Tochter, mein Sohn und ich, eben am Krankenbett standen, und ich immer wieder, oder auch meine Kinder, zu ihm gingen und ihm die Hand gaben oder übers Gesicht ... und auch mal gesagt hat, ich liebe dich und so weiter ... haben sich die Herztöne ... ich will nicht sagen, normalisiert, aber zumindest so, dass sich das alles wieder bissl stabilisiert hat. Fragen Sie sich manchmal, auch wenn's medizinische irrational ist, was wäre gewesen, wäre ich die ganze Zeit bei ihm gewesen? Auf jeden Fall. Irgendwann haben Sie wieder einen Anruf bekommen. Ja, das war dann in der fünften Woche. Er hat trotz Krankensalbung und trotz dieser Hiobsbotschaft dann noch zwei weitere Wochen gelebt. Und wo dann der Anruf in der Früh um 2.30 Uhr kam, er wird jetzt versterben, sind wir dann sofort in die Klinik gefahren, komischerweise, da mussten wir dann außer FFP2-Maske und natürlich, weil das eine Anästhesie-Intensivstation war, nur so einen OP-Kittel anziehen, das war's. Sonst keine Schutzkleidung mehr. Das hat uns auch sehr verwundert. Und dann haben wir so zehn Minuten gewartet, dann kam der Oberarzt und hat gesagt: Ja, Ihr Mann ist jetzt verstorben. Konnten Sie denn noch dann bei ihm bleiben und ... Ja, gut, als wird dann das Zimmer betraten, war ich auch etwas überrascht, weil mein Mann lag da, wie wenn er nur schlafen würde. Rosig im Gesicht, alle Geräte waren weg, Kerze wurde angezündet. Die Krankenhaustasche war schon uns vor die Füße gestellt worden so ungefähr. Wir waren dann noch bis in der Früh um sechs Uhr bei meinem Mann. Wie man's dann als Verabschiedung, er war ja bereits dann tot, es war ja auch keine Sterbebegleitung. Und dann in der Zwischenzeit war ein Spalt die Tür auf und im Intensivzimmer ... da war dann der Stützpunkt, da waren etliche Krankenschwestern und Krankenpfleger, die haben Videospiele gemacht, die haben einen Film angeschaut, die haben gelacht. Konnten Sie denn bei der Beerdigung dann würdig von ihm Abschied nehmen? Also wir hatten natürlich eine Beschränkung mit 20 Personen. In der Kirche, Gottesdienst durfte stattfinden, aber natürlich auch da musste jeder in einer eigenen Bank sitzen. Sozusagen konnten wir nicht einmal als Familie zusammensitzen. Äh ... In der Aussegnungshalle, mein Gott, was ist würdig? Wie intensiv stellt man sich eine Beisetzung vor? Mein Mann war ja auch Feuerwehrmann, es wären Vereinsmitglieder, Freunde, das durfte man natürlich nicht. Auch am Grab. Draußen, auf dem Friedhof, auch da musste man mit Maske stehen. Was ist besonders belastend daran, dass Sie Ihrem Mann in dieser Situation nicht beistehen konnten? Ja, wie soll ich sagen? Also eigentlich auch ein Schuldgefühl. Weil wir uns das ja auch versprochen haben. Und weil ich auch nicht weiß: Was fühlte mein Mann noch, was hat er noch gespürt? Was war zu dem Zeitpunkt, wo wir bei ihm waren, wurde ihm das überhaupt noch mal kurz bewusst? Man weiß ja auch nicht im Koma. Ist er alleine, warum kommt keiner, warum bin ... (Ihre Stimme bricht.) Was geschieht mit mir oder so. Das belastet mich schon sehr. Es bleiben Schuldgefühle, wie Sie sagen. Bleibt auch Ohnmacht, bleibt Wut? Bleiben Forderungen? Was bleibt da noch? Also Wut bleibt schon, weil ich mir denke, auch in der Politik, war ja ein Pandemiegesetz, eine Regel eben, da hat man ja auch festgelegt, Sterbende sind von den Pandemieregeln ausgenommen. Und das macht mich eigentlich sehr, sehr wütend. Weil das hat man nicht umgesetzt. Erst mal vielen Dank, Frau Fischer, dass Sie uns noch mal durch diese schmerzhafte Zeit mitgenommen haben. Und wir wünschen Ihnen alles, alles Gute. Dass Sie mit dem, was Sie erfahren haben, das in dem Sinne natürlich nicht wieder so werden kann wie früher, aber dass Sie zu einer Lebensqualität finden, auch gemeinsam mit Ihrer Tochter. Vielen Dank. Danke. Was ... Michael Müller, der Politiker trug in der Pandemie hohe Verantwortung Was geht in Ihnen vor, Frau Fischer hat die Politik angesprochen, wenn Sie das hören, was Frau Fischer erlebt hat? Das sind natürlich ganz bittere Schilderungen, wo man auch nicht alles entschuldigen kann und schon gar nicht alles verstehen kann. Allein solche Dinge, wie Sie erzählen, Sie mussten da stehen neben dem Krankenbett und durften nicht sitzen. Einmal mussten Sie die Schutzkleidung tragen, einmal nicht. Auch ich kann das nicht erklären. Krankenhäuser sind mit der Situation unterschiedlich umgegangen. Ich kann das nur für die Berliner Situation beschreiben, wir haben mit der Berliner Charité nun wirklich eine Einrichtung, die auch die Schwerstkranken aufgenommen hat selbstverständlich und gut versorgen konnte. Und auch die haben mich angesprochen und haben gesagt: "Herr Müller, wir sind dabei, uns vorzubereiten, dass wir die Lage nicht mehr im Griff haben." "Dass wir die Erkrankten auf die Flure legen müssen, weil wir nicht mehr die entsprechenden Einrichtungen haben, um alle gut versorgen zu können." Und aus dieser Situation heraus kann man vielleicht nur für manches versuchen eine Erklärung zu finden, dass die Angst, die Sorge so groß war vor dem, was da kommen kann, dass man übers Ziel hinausgeschossen ist. Das ist in Ihrem Fall, wie gesagt, lindert gar nichts an Schmerz, kann gar nichts gut erklären, aber es war natürlich für diese Gesundheitseinrichtung und auch für die Politik eine Ausnahmesituation, wo man versucht hat, jeden Strohhalm zu ergreifen, den man kriegen konnte. Herr Streeck, Sie haben als Virologe natürlich auch versucht, nach Lösungen zu suchen. Aber wurde dem Schutz des Lebens in der Pandemie, ist natürlich ein ganz großer Wert, der Schutz des Lebens, aber wurde dem, wie manche es formulieren, zu vieles untergeordnet? Bis hin dazu, dass Menschen nicht mehr in Würde gestorben sind. Na ja, Wolfgang Schäuble hat ja dazu mal gesagt, dass das Grundgesetz die Würde des Menschen als Oberstes stellt. Und nicht den Schutz vor einer Infektion, das ist jetzt paraphrasiert. Und ich finde die Schilderung von Frau Fischer, die hat mich wirklich sehr mitgenommen eben, weil ich hab auch immer wieder im Krankenhaus solche Situation gesehen, miterlebt. Eine Situation war ganz am Anfang der Pandemie, wo eine Frau auf der Parkbank bei uns saß und nicht zum Mann durfte, der im Sterben lang, weil der Test nicht vorlag. Sie musste einen negativen PCR-Test haben. Und wir haben dann einfach auf das Gerät gestarrt und dann irgendwann ganz früh gesagt, das ist okay. Die soll zu ihrem Mann gehen können. Aber das ... Wir haben es so viel festgehalten an irgendwelchen Werten, Verordnungen, wir Deutschen lieben ja Verordnungen, und sind da zum Teil päpstlicher als der Papst. Dass wir dabei die Empathie, das Mitgefühl, das Verständnis füreinander etwas auf der Strecke gelassen haben. Und gerade, was Frau Fischer schildert, ist für mich eine ungefragte ... Frage, die wir in der Pandemie aufgestellt haben. Wie gehen wir auf der einen Seite damit um, mit dem Schutz vor der Infektion in der Gemeinschaft, auf der anderen Seite aber die Nähe, den Wunsch oder die Bedürfnisse nach Nähe, menschlichen Kontakt, Liebe und Ähnliches. Da brauchen wir eine Antwort dafür, denn wir werden auch unsere Kinder ... oder wir vielleicht auch, werden noch mal eine Pandemie erleben. Und da brauchen wir ja eine Antwort darauf. Der Yale-Professor, Arzt und Soziologe Nicholas Christakis sagt: "Das einsame Sterben in den Krankenhäusern war amoralisch, unethisch und unnötig." "Für mich ist es ein menschliches, unverzeihliches Versagen." Teilen Sie das? - Absolut. Vor allen Dingen, weil ... Natürlich war von Anfang an klar, wie katastrophale Folgen es gab. Wir kennen die Bilder von Bergamo und Heinsberg und so weiter. Was ich vermisst habe, was man nicht registriert hat, sind Hotspots und dass man das ganze Land lahmlegt. Und diese Situation, die Sie schildern, war völlig unerträglich. Es gab wirklich Absurditäten. Wobei ich immer gesagt habe, die Maßnahmen, die Urmaßnahmen sind natürlich richtig und wunderbar, ich liebe Abstand. (Murmeln) Die Distanzlosigkeit der Menschen geht mir seit Jahrzehnten auf die Nerven. Na ja, ist doch so, weißt ja wie's ist. Im Restaurant, ganz alleine in der letzten Ecke, kommen zwei Fremde, setzen sich direkt daneben. So. Aber gleichzeitig wusste man, es gab völlig irrsinnige Maßnahmen. Also warum ... ich hab gehört, dass Leichen Masken übergezogen wurden, wenn sie dann für die Beerdigung vorbereitet werden. Oder dass Menschen nicht ... also unerträglich zu hören. Ist bei dem Versuch, Menschenleben zu retten, die Menschlichkeit auf der Strecke geblieben. Absolut. - Ja? Was sagen Sie? Auf jeden Fall. Ich will nur etwas anderes dazu sagen, ich wollt's eigentlich erst später sagen, was die Absurdität ausdrückte, war, viele, die unter 50 sind, haben's natürlich nicht erlebt, aber wir haben eine Situation, wo wir nicht wissen, wie überträgt sich das. Die Reaktion der Politik ist so, dass man das Gefühl hatte, es kommt durch die Luft. Eine alte Frau durfte nicht auf der Parkbank sitzen, es durfte nachts nicht spazieren gegangen werden, das durfte nicht ... (Ratlose Laute) Menschen wurden eingeschlossen, Familien durften nicht raus. Heute sagt Herr Lauterbach selbst, das war Schwachsinn. Denn jeder weiß, bei einer Infektion ist frische Luft und Bewegung das Fördernde. Und wenn man das angekreidet hat, galt man gleich als Coronaleugner oder als Verschwörungstheoretiker und so ein Schwachsinn. Das heißt also, die Maßnahmen, die darüber hinausführten, wir hatten zum Beispiel die Kuriosität, dass wir in München eine FFP2-Maskenpflicht hatten, und in Köln eine normale OP-Maske. Du fuhrst du mit dem Zug, in voller Fahrt sagte der Schaffner, jetzt müssen Sie die andere Maske tragen. Wenn ich das sagen darf kurz. - Klar. Es war klar von Anfang an, oder relativ von Anfang an, WHO und RKI, die Sterberate ist, so dramatisch es ist für die, die es betraf, lag zwischen ein und zwei Prozent. Herr Steinmeier, unser Bundespräsident, hat schon nach einem Jahr der Pandemie gesagt: Wir schauen zu sehr auf die Zahlen. Und zu wenig auf die Menschen. Und das, was sich dahinter verbirgt. Und er hat wörtlich gesagt, also auch auf die einsam sterbenden Menschen bezogen: "Eine Gesellschaft, die dieses Leid verdrängt, wird als Ganzes Schaden nehmen." Hat die Gesellschaft Schaden genommen? Also ich ... ich finde das schwer so absolut zu sagen, ob eine Gesellschaft Schaden genommen hat oder nicht. Ich glaube, die Gesellschaft hat eine gewisse Resilienz, dass sie da auch wieder rauskommt. Aber ich plädiere ja aus gutem Grund immer wieder für eine Aufarbeitung, weil wir diese Krise als ein Proxy, als einen Stellvertreter sehen müssen für zukünftige Krisen, die wir haben könnten. Das muss nicht eine Pandemie sein, das kann auch der Ukrainekrieg sein, das kann ein Angriff an die Ostflanke oder Ähnliches sein. Aber wir müssen aus dieser Krise lernen, weil wir haben ganz viele unbeantwortete Fragen. Eine unbeantwortete Frage ist, wie gehen wir mit dem Spannungsverhältnis um, dass wir auf der einen Seite Liebe, Nähe, Geborgenheit wollen, andererseits Schutz vor Infektion. Wir haben keine Antwort darauf. Wir haben aber auch keine Antwort darauf, oder wo ich denke, wo wir dran arbeiten müssen, ist, wie wissenschaftliche Beratung in einer Krise funktionieren sollte. Wir brauchen hier viele Experten. Es darf nicht sein, dass es einige wenige sind, die sagen, das ist richtig, das ist falsch. Wir brauchen ein breites Spektrum. Aber so was muss professionalisiert werden. Und das machen wir bisher nicht. Gehen wir in der Aufarbeitung einen Schritt weiter. Frau Fischer, Sie und Ihr Mann sind erkrankt, als es noch keine Impfung gab. Und früher, als viele damit gerechnet haben, war dieser Impfstoff da. Und dann hieß es, die Impfung hat so gut wie keine Nebenwirkungen. Ein Satz, von dem wir heute wissen, er trifft nicht zu. Selin Islami und Aylin Dalgül, leben mit den Folgen eines Impfschadens (Angespannte Musik) (Sprecher:) Chronisches Erschöpfungssyndrom, Migräne, Muskelschmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das sind nur einige Symptome die beim Post-Vac-Syndrom nach einer Covid-19-Impfung auftreten können. Die Ursachen sind noch unklar und eindeutige Nachweise nur selten möglich. Die Existenz von Nebenwirkungen wurde lange bestritten. Die Impfungen sind halt mehr oder weniger nebenwirkungsfrei. Das muss gesagt werden. Knapp 12.000 Geimpfte haben bislang bundesweit Anträge auf Anerkennung eines Schadens durch die Corona-Impfung gestellt. Keine 500 Anträge wurden bewilligt. Mehr als 5.000 abgelehnt. Zu denen, deren Antrag anerkannt worden ist, zählt die 19-jährige Selin. Frau Islami, erinnern Sie sich an die Situation, als Sie sich für eine Impfung entschieden haben? Ja. Ja? Holen Sie uns mal rein, was war das für eine Situation? Also wir waren in Düsseldorf eigentlich einkaufen. Es war auch eine spontane Entscheidung, das da vor Ort zu machen. Das war einfach in so einem Impfzentrum an der U-Bahn-Station. Mhm. Ja, es war halt so, dass ich in der Ausbildung war in der Medizin. Mhm. Und wir schon vorher halt diesen Zettel bekommen haben, entweder jeden Tag Impfung ... also jeden Tag einen Test bringen, oder durchgeimpft sein. Und für mich war's halt unmöglich irgendwo jeden Tag einen Test vorzubringen, weil wir ja schon im Bus, um zur Teststation zu kommen, einen Test haben mussten. Also es war eine spontane Entscheidung, weil Sie waren in der Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten. 16 Jahre, glaube ich, damals? - 16. Und dass Sie gesagt haben, ich mach das einfach. Und ich hab gehört, Sie waren beide zusammen dort. Ja, wir waren als Familie dort. Mein Mann, der Kleine, Selin und ich zusammen unterwegs. Und spontan sagte sie so, auf der Rolltreppe eigentlich: Mama, da ist ein Testzentrum, hast du meinen Ausweis dabei? Dann hab ich gesagt, ich hab den immer dabei, aber wir lassen uns nicht impfen. Also Sie hatten erst Bedenken? - Ich war eigentlich völlig dagegen. Auch schon, wo das Thema auf der Arbeit kam und so. Da hab ich gesagt, egal, was ist, wir lassen uns nicht impfen. Und Selin hat so einen Kopf, die kann sich da durchsetzen. Und dann stand sie halt vor diesem Impfzentrum und hat gesagt: Ja, los, ich möchte meinen Pass, ich möchte mich impfen lassen. Und mein Mann hat dann auch noch gesagt, was ist denn hier los? Sozusagen. Und als Selin davon berichtet hat, sagt er, weißt du was, wir machen das zusammen. Und dann waren zwei gegen einen. Da hab ich gesagt, alle oder keiner. Und dann habe ich aber da noch etliche Fragen gestellt. Welche Fragen? In welche Richtung gingen die Fragen? Ob es Nebenwirkungen gibt, das habe ich schon dort gemacht. Wie die Erfahrung ist, wie die Leute es vertragen. Dass ich eigentlich auch dagegen bin, das eigentlich nicht machen möchte. Und ja, dort wurde halt alles so ein bisschen runtergespielt: "Ach, jeder lässt sich impfen, wir machen das schon." Und so ein bisschen reingelockt sozusagen. Und da blieb mir eigentlich ... ja, konnte ich nicht mehr argumentieren. Sie waren ja vor der Impfung auch sportlich sehr aktiv. Was haben Sie für einen Sport gemacht? Ich war im Leistungsturnen, also richtig in der Liga auf Leistung. Ich komme von einer Sportschule, also, mein Leben war Sport. Ihr Leben war Sport. Wie lange hat es dann gedauert bis zu Ihren ersten Beschwerden? Ein paar Wochen. - Ein paar Wochen. Nee, die ersten kamen nach vier, fünf Tagen. Also, es hat halt angefangen mit Husten, Oberbauchschmerzen, wo man halt nicht an so was gedacht hätte. Also, es kam schon relativ schnell nach ein paar Tagen, aber so starke Symptome haben nach ein paar Wochen angefangen. Dann kam die zweite Impfung irgendwann. Das war, glaube ich, eine Biontech-Impfung? Das war beides Mal Biontech. Wir haben nach der ersten Impfung, es war mitten im Sommer, und Selin hat immer so leicht gehustet. Damals konnten wir das nicht einordnen. Bin aber trotzdem mit ihren Bauchschmerzen und so weiter direkt zum Arzt, weil ich bin ein bisschen so Übermama und habe gesagt, nee, das kann nicht sein. Du hast keinen Infekt, nichts. Warum hustest du die ganze Zeit? Und ja, dann hieß es, ja, ist nichts Dramatisches, vielleicht Blähungen und so weiter. Dann haben wir die zweite Impfung gemacht. Das war der größte Fehler, den wir hätten tun können. Ist es richtig, dass Sie dann irgendwann den Arm nicht mehr heben konnten? Ja, es kam eigentlich alles nacheinander relativ schnell dann. Also, es hat mit meinen Armen angefangen. Wir waren ganz einfach was am Backen und ich konnte einfach den Teig nicht mehr umrühren. Also, mein Arm hat einfach keine Kraft mehr gehabt. Und ja, es ging immer weiter. Also, meine Augen, dann sind meine Augenlider immer zugefallen. Gesichtsfeldausfall. - Es war dann die Muskulatur von den Augen. Ich habe oben rechts monatelang einen riesigen schwarzen Fleck gesehen, wo ich auch in die Klinik gegangen bin. Die haben mich dann nach Hause geschickt. Ich soll schlafen gehen, morgen ist das weg. Wir reden so über so Symptome. Aber wenn ich jetzt mir vorstelle, Sie sind zu Hause in der Küche, wenn ich das verstanden habe, wollen was backen und dann kriegen Sie den Arm nicht mehr hoch. Kommt dann nicht Panik auf? - Klar. Mhm. - Ja. Sie sagte: "Ich kann nicht mehr rühren." "Wie, du kannst nicht mehr rühren?" Oder mit dem Gesichtsfeldausfall. Es war ja so, wir haben ein Spiel gespielt, Selin saß auf der Couch und sagte: "Mama, ich glaube, ich habe was im Auge". Und ich so: "Da ist nichts, was hast du denn da?" Dann war plötzlich ein Aufschrei und sie sagte: "Ich sehe nichts mehr im rechten Auge". Ich so: "Bleib ganz ruhig, wir fahren in die Klinik". Die Klinik meinte, sie soll schlafen gehen, am nächsten Tag wäre alles wieder gut. Es wurde aber nicht besser. - Nein. Nach zwei Monaten hat eine Ärztin eine Diagnose gestellt, Myasthenia gravis. Was ist das für eine Krankheit? Das ist eine neuromuskuläre Erkrankung, auf Deutsch gesagt, schwerwiegendste Muskelerkrankung. Das ist, dass die Verbindung zwischen Nerv und Muskel nicht funktioniert. Die wird dann unterbrochen durch Antikörper. Ein halbes Jahr nach der Impfung hatten Sie dann die erste myasthene Krise. Wie äußert die sich? Also, eine myasthene Krise geht wirklich innerhalb von Sekunden. Bei mir war es immer so, dass ich angefangen habe zu erbrechen und das wahrscheinlich dadurch, dass ich meinen eigenen Speichel nicht mehr schlucken konnte, dann hört die Atmung auf zu funktionieren. Man kann sich nicht mehr bewegen. Man liegt einfach nur an der Beatmung auf Intensivstation und hofft, dass es sich bessert. Also, man muss sich das so vorstellen, das ist natürlich, es gibt ganz viele Myasthenia-kranke Patienten. Bei jedem geht das nicht so und jeder hat auch nicht eine Krise. Selin hatte über 20 Stück und das in der lebensgefährlichsten Situation. Man muss sich das so vorstellen, dass jede Muskulatur, die Sie selbst ansteuern können - Ihren Herzmuskel können Sie ja nicht ansteuern. Also ist der außen vor, das Herz schlägt, aber Sie können nicht mehr atmen selbstständig, Sie können nicht mehr schlucken. Sie hatte monatelang eine Magensonde. Und die Augenlider sind die kleinsten Muskeln. Da sieht man das dann direkt. Zu Hause, wir konnten das noch nicht einordnen, sagte sie: "Ich krieg meine Augen nicht mehr auf." Als ich sie in das Krankenhaus gebracht habe: "Hast du schlecht geschlafen? Mach mal deine Augen auf." Sie konnten damit nicht umgehen. Wir wussten nicht, was los ist, die Ärzte auch nicht am Anfang. Es war wichtig, die Diagnose zu haben, um das einordnen zu können und zu wissen, woher kommt das. Sie wurden häufig operiert? (Selin:) Ja. - Wie häufig? Also, in jeder einzelnen Krise natürlich, weil sofort ein Katheter gelegt werden muss, damit ich direkt an die Blutwäsche gehangen werden kann. Ich hatte unzählige OPs an meinen Gefäßen, weil alles thrombosiert ist bei mir. Also, die haben wirklich meterlange Blutgerinnsel rausgezogen, auch heute noch. Blutabnehmen war ich vor zwei Tagen, ist nicht möglich, weil die Schläuche werden voller Gerinnsel, es kommt kein flüssiges Blut heraus. Man kann keine normale Blutabnahme machen. Jede Arterie und jede Vene, hier, man sieht es, das ist jetzt ein bisschen überschminkt, auch hier, jede Arterie und jede Ader ist somit schon zerschnitten worden. Also, man sieht, Sie sitzen da jetzt einträchtig auf dem Sofa, Wenn man Sie so sieht, würde es keiner ahnen, aber Sie sind auch mit dem Rollstuhl hierhergekommen heute. Also, was in Ihrem Leben ist heute nicht mehr möglich, was früher selbstverständlich war? Nein, gar nichts. - Gar nichts. Wir mussten umziehen, weil ich nicht mehr Treppen laufen konnte, wobei wir trotzdem noch mindestens ein Jahr in der dritten Etage gewohnt haben. Sie und Ihr Mann, konnten Sie denn noch weiter arbeiten? - Nein. Sie haben dann mit großem Aufwand, auch großem bürokratischen Aufwand erreicht, dass die Krankheit Ihrer Tochter nach der lückenlosen Dokumentation ihrer Krankheitsgeschichte offiziell als Impfschaden anerkannt wurde. War das ein weiter Weg? Ja, ich würde mal so sagen, es war ein schwerer Weg. Natürlich auch in der Situation, in der wir waren. Ich habe sehr gekämpft. Ich bin auch in die Öffentlichkeit gegangen, weil als meine Tochter da etliche Male auf der Intensivstation war, hat man mir schon gesagt: "Jetzt können Sie sich verabschieden." Da habe ich gesagt, jetzt musst du was tun. Du lässt sie jetzt nicht mehr da so liegen, du kämpfst weiter. Und diese Anerkennung zu bekommen, ich habe vielleicht auch die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt kennengelernt, die mir auch ein bisschen geholfen haben, vielleicht Formalitäten auszufüllen et cetera. Aber es ist ein Kampf und ich habe ihn geschafft. Und ich weiß aber auch, dass da draußen Tausende von Menschen sind, die es nicht geschafft haben. Und ... ja, das ist nicht schön, diesen Weg gehen zu müssen. Gibt es denn für Sie Momente, wo Sie auch mal das alles vergessen können? Ich habe gehört, beim Reiten entsteht so etwas. Ja, also, nach der ganzen Geschichte haben meine Eltern mir das ermöglicht, mir mein eigenes Pferd zu kaufen. Das ist dann wirklich so das Einzige, wo ich abschalten kann, weil ich sage so, wenn ich nicht laufen kann, läuft mein Pferd für mich durchs Feld, durch den Wald. Und das sind die einzigen Momente, wo ich mich normal fühle. Vielen Dank an Sie beide, dass Sie uns das so erzählt haben. Alles Gute für Sie und Ihre Familie. - Vielen Dank. Wir haben ... Wir haben es gerade ja auch gehört: Im Februar '22 hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach gesagt, Prof. Hendrik Streeck, der Virologe plädiert für eine Aufarbeitung der Pandemie die Impfungen sind mehr oder weniger nebenwirkungsfrei. Hat die Politik das Impfrisiko runtergespielt, in der Hoffnung, möglichst viele Menschen für Impfungen zu gewinnen? Äh ... ja, also, diese Szene war, glaube ich, sehr, sehr unglücklich. Das wurde ja damals auch schon von vielen Ärzten kommentiert. Es gibt kein Medikament, was in irgendeiner Weise nebenwirkungsfrei ist. Jede Impfung kann immer auch eine Nebenwirkung haben. Es wurde schon von der Politik her, gerade wo dann die Debatte mit Impfpflicht 2G, 3G, 2G+ aufgemacht wurde, sehr großer Impfdruck aufgebaut, wo bei einer Impfung, die vor allem einen Schutz für einen selber darstellt, also Schutz vor der eigenen schweren Erkrankung, nicht Schutz vor der Infektion, das in dem Maße nicht gerechtfertigt war in meinen Augen. Sie haben gesagt, es war nicht gerechtfertigt, es war eine unglückliche Aussage. Herr Müller, bei jedem Medikament, das wir einnehmen, kriegen wir den Beipackzettel. Da stehen die ganzen Nebenwirkungen drauf. Es war ja nicht wirklich anzunehmen, dass so eine Impfung gar keine Nebenwirkungen hat. War das im Nachhinein, Sie sagen "unglücklich", vielleicht auch eine fahrlässige Aussage, um Werbung für die Impfung zu machen? Ich vermute, das war damals der Kenntnisstand. Natürlich hat Herr Streeck recht. Wir wissen als Laien schon, dass es fast immer Nebenwirkungen geben kann. Und ich vermute, dass auch die Beratung für Herrn Lauterbach so war, dass es da in nur sehr geringem Umfang eine Nebenwirkung geben kann. Dass es welche gibt, musste er wissen. Er ist ja nicht ganz kompetenzfrei. Das will ich auch nicht in Schutz nehmen und teile die Einschätzung, dass es mehr als unglücklich war. Auf der anderen Seite muss man auch sehen, es müssen deutschlandweit so um die 60 Millionen Impfungen gewesen sein, die Menschen in Anspruch genommen haben. Und das muss man eben auch sehen, dass die Impfung ja ein Baustein war im Rahmen vieler Maßnahmen. Nicht das Allheilmittel, aber ein Baustein. Und dieser Baustein wahrscheinlich auch sehr vielen Menschen sehr gut geholfen hat mit 60 Millionen. Das muss man sehen. Vieles wird immer mit der Grippeimpfung verglichen. Man muss schon sehen, auch in Ihren Schilderungen ist das deutlich geworden, wir haben hier eine Infektion, eine Krankheit gehabt, wo auch viel Jüngere betroffen waren. Bei der Grippe sind ja die, die oft diesen ganz schweren Verlauf leider erleben oder sogar daran versterben, sehr viel sehr alte Menschen. Wir haben hier die Situation gehabt, dass innerhalb von Tagen, manchmal innerhalb von Stunden, 40-, 50-Jährige sich nicht mehr bewegen konnten, keine Luft bekommen haben, auf die Intensivstation gekommen sind. Und für die dann auch einen weiteren Schutz anzubieten, eine Impfung, das war doch etwas, worüber wir uns auch wahnsinnig gefreut haben, dass wir diese Möglichkeit haben. Die Frage ist, wenn man für etwas politisch wirbt, ob man dann die Ebene der Sachlichkeit und Fachlichkeit so verlassen darf. Mich würde noch interessieren, Frau Dalgül, wenn Sie gewusst hätten, dass es diese Nebenwirkungen geben kann, Sie haben ja gefragt, hätten Sie sich anders entschieden? Hätten Sie Ihre Tochter ... Ich wäre noch energischer gewesen und hätte mich durchgesetzt. Ich kann auch dazu, ich weiß gar nicht, ob ich da was zu sagen möchte, aber wenn man sagt, 60 Millionen haben wir geholfen, wer bestätigt das? Vielleicht ginge es denen auch ohne Impfung so. Vielleicht geht es denen, die jetzt im Nachhinein sterben ... sterben die vielleicht wegen der Impfung. Und das kann man ... Wenn jetzt jemand wegen einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall stirbt, weiß ich nicht, ob der genauso Gerinnsel hat wie meine Tochter. Das kann man doch gar nicht mehr nachvollziehen. Die Aussage "Ich habe 60 Millionen Bürgern geholfen und die geschützt" finde ich persönlich für mein Denken nicht richtig. Es gibt viele Fragen, die Menschen stellen. Erst mal danke, dass Sie so offen hier auch argumentieren. Ich glaube, wir merken, es gibt viele Fragen, die wir uns stellen. Die Pandemie ist nach wie vor ein hochemotionales Thema. Mathias Richling, der Kabarettist kritisiert viele Corona-Restriktionen Wir können nicht auf alle Themen hier in der fachspezifischen Diskussion eingehen, aber wichtig ist auch, was im Miteinander dadurch entstanden ist. Sie, Herr Richling, haben die Coronamaßnahmen immer wieder kritisiert, auch in Ihren Programmen, die ja zu sehen waren, übrigens bis heute. Ah, nee. Also, jetzt reicht es also wirklich, ja? Da kommen doch diese Coronaprotokolle raus. So. Was nicht geschwärzt ist, zeigt schon, dass es also Zweifel gab an einem bestimmten Impfstoff. Trotzdem wurde er empfohlen. Millionen hatten Bedenken. Ah nee, das waren ja Querdenker, richtig. Dann hatten wir hier FFP2-Maske. Die ist für den Arbeitsschutz. Die darf man nicht länger tragen als zwei Stunden. Trotzdem galt Dauerpflicht. Im Zug von Hamburg nach Stuttgart, acht Stunden musste man die durchgehend tragen. Wer es nicht gemacht hat, war AfD-ler und Massenmörder. Dann die Leute einzuschließen, nicht an die frische Luft zu lassen in der Infektionszeit, das wäre wörtlich "totaler Schwachsinn" gewesen, sagt Karl Lauterbach heute. Wer das vor zwei Jahren sagte, der war Coronaleugner, richtig. So. Und um die alle in den Griff zu bekommen, galt ja die Denunziationsorder von Strobl und Kretschmann. Man sollte alle anonym anzeigen, die die Maßnahmen einhielten, aber nicht die idiotischen Maßnahmen einhielten. Über die einzelnen Punkte haben Sie ja gerade sich auch schon mal geäußert, Herr Richling. Aber für mich ist der Kern, und das würd mich auch interessieren, wie Sie das hier in der Runde sehen, das, was Sie auch beschrieben haben: Wer Zweifel hatte, Bedenken, vielleicht Kritik hatte, wurde sehr schnell sofort in der öffentlichen Wahrnehmung ein Querdenker, was für manche in der öffentlichen Wahrnehmung dann gleich ein Rechter war, was für andere dann wieder in der öffentlichen Wahrnehmung jemand, der ein Feind der Demokratie ist, war. Wurde diese Reihe zu schnell gefolgert? Ich denke schon, dass wir viel zu wenig Debatten zugelassen haben, viel zu wenig miteinander gesprochen haben, auch gerade in der Wissenschaft. Es gibt nicht DIE Wissenschaft und nicht: "DIE Wissenschaft sagt." Sondern es sind viele unterschiedliche Wissenschaften, die zum Teil konträre Ansichten haben. Ich habe es selber erlebt, dass ich aus Forschungsverbünden ausgeschlossen wurde, weil ich zu querdenkernah argumentiert hätte, was vollkommen daneben gewesen ist. Weil es war nirgendwo, dass ich dann Corona geleugnet habe oder so was, sondern ich habe einen anderen Aspekt eingebracht. Aber ich wurde auch auf Twitter Massenmörder genannt oder Ähnliches. Das war ... - Das sind ... das sind aber zum Teil Dinge gewesen, die ich auch schon gerade in der Wissenschaft schwierig fand, dass man so miteinander umgeht. Aber die Bedenken und die Sorgen und auch das Herantasten, was ist eigentlich wirklich der Sachstand? Das hat es erstens also jeden Abend in fünf verschiedenen Talkshows gegeben und öffentlich, das hat es in der Kreis- ... der Ministerpräsidenten-Runde gegeben, inklusive StIKo und Charité und allen anderen, RKI. Das hat es in der öffentlichen Debatte überall gegeben, bis hin zur Wissenschaft. Das machen ja die Coronaprotokolle deutlich, dass auch da es eine Unsicherheit und ein Fragen gab, wo stehen wir eigentlich und wie gehen wir damit um? Das, was dann passiert ist, wenn dieser Vorwurf kam, AfD-Corona-Leugner, bezog sich doch nicht auf die Frage, wissen wir alles oder gibt es berechtigte Fragen? Was ist da eigentlich los? Sondern einige haben aus dieser Situation des Fragens die Schlussfolgerung gezogen, die Politik macht das bewusst, um Menschen wegzusperren und ihren Machtanspruch so zu dokumentieren, um an Daten über die Bürger zu kommen und, und, und. Das war der entscheidende Punkt. Diffamiert wurde nicht das Fragen, das Suchen nach Antworten, das hat es bei uns selbst gegeben und das wissen Sie, Sie waren in vielen Runden dabei. Aber auch Herr Richling hat ja das Ganze angestoßen. Haben Sie das so empfunden? Absolut, nicht so, wie Sie sagen, sondern ich find's etwas eng gefasst und ich muss Ihnen ehrlich sagen, wenn Sie sagen, die Talkshows ... Natürlich wurde es in jeder Talkshow, es gab ja kein anderes Thema, das Thema wurde hoch und runter, aber es waren immer nur ... Ich war selber in Talkshows bei Sandra Maischberger, und ich habe es erlebt in meinen Sendungen. Ich habe niemals Corona geleugnet, ich habe niemals gesagt, dass die Maßnahmen nicht richtig wären. Ich habe mich gegen idiotische Maßnahmen gewendet. Ich bin dafür in einer Weise angegriffen worden in der Runde, das ist heute eigentlich im Nachhinein ... Und wenn Sie sagen, die Corona-Protokolle: Ja, die kommen nach zwei Jahren, nach drei Jahren jetzt raus, Das hätten wir uns gewünscht an Diskussionsebene von Anfang an. Man muss ... - Ich möchte eines noch sagen. Was die Absurdität der Situation darstellt, ist Folgendes. Corona begann im März 2020, und es wurden erst mal alle Theater und Restaurants geschlossen. Das Erste, was ich noch erinnere, war, dass am zweiten oder dritten Tag Herr Wieler, Tierarzt Dr. Wieler, Lothar Wieler, ins Fernsehen kam bei einer täglichen Pressekonferenz, und man hätte jetzt erwartet, wenn es wirklich dramatisch ist, er sagt: Gestern hatten wir in Berlin 100 Infizierte, heute sind es 10.000. Das ist eine Meldung wert. Ich zitiere wörtlich, weil ich habe es mir aufgezeichnet, damit man auch in der Erinnerung das nicht schön redet oder dramatisiert. Herr Wieler sagte: "In Esslingen hatten wir gestern elf Infizierte, heute sind es 13." "In Albstadt im Schwarzwald hatten wir gestern 14 Infizierte, heute sind es 15", und da dachte ich, ist das eine Comedyserie oder will er uns verarschen? Das kann doch nicht wahr sein, diese Steigerung, und zehn Infizierte in Esslingen, das fand ich unfassbar. Ich möchte noch auf den Punkt des Miteinanders hinaus. Wir haben gerade gesagt, dass manchmal vielleicht verkürzt wurde, zu sagen, es gab Zweifler, es gab Kritiker, und aus denen wurden zu schnell Querdenker, Rechte, Feinde der Demokratie. Umgekehrt habe ich es auch so erlebt, und, glaube ich, viele, haben Menschen, die die Maßnahmen kritisiert haben der Bundesregierung, auch schnell gesagt, diejenigen, die ihnen folgen, sind Schafe, sind Menschen, die den Durchblick nicht hatten, haben die kritisiert. Haben Sie zum Beispiel auch mal von Menschen gehört: "Ja, selbst schuld." "Hätten Sie Ihre Tochter doch nicht geimpft?" Natürlich, über Internet und so weiter, über Diskussionen, da kamen viele Anschreiben: Sie war unter 16, wie konnten Sie das zulassen? Oder Selin selber - was hast du bekommen? Ja, alles Mögliche, was die Eltern sich dabei gedacht haben, wie man das Kind impfen lassen kann. Ich kenne auch aus meinem privaten Bekanntenkreis viele, auf der einen wie auf der anderen Seite, auch zwei Brüder, die sich während der Pandemie zerstritten haben, nicht mehr miteinander geredet haben, weil sie da auf unterschiedlichen Seiten standen. Sie sagen, trotzdem, Herr Müller, hat das nicht zu einer Spaltung geführt. Wie kommen Sie zu dem Ergebnis? - Schwer zu erklären. Ich nehme es so wahr, dass einerseits ja doch sehr viele in der Gesellschaft diese Maßnahmen ja auch mitgetragen haben und auch durchaus unterstützt haben, und im Übrigen, bis heute werde ich darauf angesprochen, dass viele sagen, ich habe nichts mit der Partei von Ihnen am Hut und mit Ihnen persönlich auch nicht, aber wir sind in Berlin oder deutschlandweit gut durchgekommen. Es war gut, dass wir ein paar Maßnahmen da ergriffen haben, dass wir gemeinsam solidarisch aufeinander geachtet haben. Was ich allerdings auch wahrnehme, ist, dass sich die Konfrontation, die es gegeben hat und nach wie vor gibt, wie wir jetzt ja auch sehen, dass sich die in aller Härte abgespielt hat und noch abspielt und auch sehr unversöhnlich ist. Und da ist auch etwas geblieben. Also, alle Politikerinnen und Politiker, ich vermute alle, die in der Öffentlichkeit stehen, Sie bestimmt auch, kriegen die dollsten Reaktionen nach jedem Auftritt. Es hat sich in der Corona-Zeit deutlich verschärft und es ist deutlich hart geblieben in der Auseinandersetzung. Da ist etwas passiert, das nehme ich auch so wahr. Nehmen Sie denn mehr Grautöne wahr? Nehmen Sie im Nachhinein wahr, dass viele von denen, die Kritik geäußert haben, Zweifler waren, aber keineswegs Feinde der Demokratie? Ja natürlich, aber noch einmal, bei einer Demonstration sind viele mitgegangen und haben gesagt, wir demonstrieren etwa für unser Recht auf Demonstrationsfreiheit, dass wir uns öffentlich bewegen und unsere Meinung kundtun können, auch im Rahmen von Demonstrationen. Aber es sind eben auch viele mitge- gangen mit den Plakaten mit Galgen und dem Bild von Angela Merkel da drauf. Und da muss man aufpassen an so einer Stelle. Da muss man sich trennen von denen, die so etwas machen. Da muss ein Unterschied deutlich werden, finde ich. Und das muss man auch benennen können. Das ist benannt worden von der Politik und das finde ich richtig, dass einige versucht haben, das auch politisch zu nutzen. Herr Wiesmann? (Vereinzelter Applaus) Ja, man kann applaudieren an den Stellen, wo's ... wo man der Meinung ist. Wenn man zurückblickt, dann fällt ja doch eines auf. Es gab nach den ersten Monaten in Deutschland das Gefühl, wir sind ganz gut durchgekommen, eigentlich funktioniert's bei uns. Dann gab es den Winter '21 und es kam schrittweise zu Verschärfungen. Und im Jahr 2022 dann zu Maßnahmen, wo man sich die Frage gestellt hat, haben wir eigentlich aus den anderthalb Jahren vorher wirklich das Maß an Erkenntnissen generiert und unvoreingenommen überprüft, um über den besten Weg nachzudenken. Und ich glaube schon, medial und politisch hat sich irgendwas getan. Sie sagen, es gab keine Spaltung. Stimmt, wenn man als Maßstab nimmt, dass Herr Söder, Team Sicherheit, Hardcore-Kämpfer gegen Covid, zeitweise der beliebteste Politiker in Deutschland war. Das bedeutet aber noch nicht, dass deshalb die Maßnahmen richtig waren und mit dem Maß an Offenheit und Aufgeklärtheit diskutiert wurden. Und was ich, ehrlich gesagt, sehr vermisst habe in der ganzen Zeit: Sie waren Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, wir hatten Föderalismus vielfach kritisiert, aber das Potenzial des Föderalismus, zu schauen: In welchem Bundesland wird mit welchen Maßnahmen welcher Erfolg erzielt?, ich glaube, das haben wir politisch verpasst, das in die Prozesse vernünftig einzubringen. Wenn wir noch mal auf das Miteinander kommen - und wir haben jetzt über eine Unversöhnlichkeit diskutiert, war sie da, ist sie da - müssen wir wieder lernen, mehr zuzuhören? Und zwar auch denen, die anderer Meinung sind? - Ja, natürlich. Man kann nicht leugnen, dass es natürlich Verrückte gegeben hat, aber - wie Wendler oder Naidoo, die unvorstellbare Sachen verbreiteten - und natürlich gab es auch Leute, die denen gefolgt sind, das ist ja klar. Aber ich hatte schon das Gefühl, dass es undifferenziert sehr breit gestreut war. Bestimmte Sachen - man galt sofort, wie ich's sagte, als Corona-Leugner. Und zu einer Debattenkultur gehört ja auch, Fehler zuzugeben. Schauen wir mal auf das, was Kindern und Jugendlichen bleibt nach der Pandemie. (Sprecher:) Zu den lange übersehenen Leidtragenden der Corona-Pandemie Martin Wiesmann, seine Tochter wurde während der Schulschließung depressiv zählen Kinder und Jugendliche. Maßnahmen wie die Schließungen der Schulen und die lange Zeit eingeschränkten Möglichkeiten, Freunde und Freundinnen zu treffen, zu spielen, Sport zu treiben, haben zu einem drastischen Anstieg von Depressionen geführt. Studien belegen einen Anstieg depressiver Symptome von zehn Prozent vor der Pandemie auf über 25 Prozent während des ersten Lockdowns 2020. Noch heute leiden viele Jugendliche unter den Folgen und beklagen Lernprobleme, Angst- und Essstörungen. Es zeigt sich zudem: Je strikter die Eindämmungsmaßnahmen in den Bundesländern waren, umso größer die Zunahme von generellen Depressionssymptomen. Herr Wiesmann, Sie haben vier Töchter, wir sprechen heute über Ihre jüngste Tochter. Aber schauen wir erst noch mal zurück auf Ihre damalige Situation. Sie haben als Finanzexperte lange beruflich sehr viel gearbeitet, waren sehr eingespannt, haben sich dann selbstständig gemacht. Auch gerade zu Beginn der Pandemie haben Sie dann die Zeit mit Ihrer Familie und den Töchtern auch genossen, haben das auch als eine gewisse, ja, ein Stück weit als Idylle erlebt. Wann haben Sie dann gemerkt, dass nicht alle Ihre Kinder gleichermaßen gut mit der Situation klarkommen? Wenn Sie aus beruflichen Gründen einen recht intensiven, mobilen Lebensalltag gehabt haben, dann war das jetzt nicht unbedingt eine Strafe, plötzlich zu Hause oder im Garten sitzen zu können oder zu müssen. Es war natürlich etwas kurios, dass tatsächlich zu dem Zeitpunkt, wo ich mich entschieden hatte, meine berufliche Situation zu verändern und mich selbstständig zu machen, dass das zusammenfiel mit dem Beginn der Krise. Ich erinnere mich noch gut, dass auch unsere Kinder einen Augenblick lang in Jubel ausbrachen und sagten: "Boah, super, schulfrei". Aber es zeigte sich natürlich nach ein paar Wochen, dass sich so etwas auch abnutzt, insbesondere dann, wenn es einher- geht mit erheblichen Einschränkungen bei der Freizeitgestaltung. Trotzdem würde ich sagen, dass die Zeit von Februar, März 2020 bis zum Herbst des Jahres für uns als Familie überwiegend eigentlich eine gute Zeit war. Es gab auch Besuch von Freunden, die dann Zeit bei uns mit verbrachten. Und es ist ja auch noch mal in die Schule gegangen. Die hat ... ist ja im Sommer noch mal geöffnet gewesen. Und unsere Jüngste, die durchaus in der Vergangenheit die üblichen Themen, die Kinder haben - wie gut bin ich integriert, wie komme ich mit Freundinnen zurecht - sagte am Schluss dieses Schuljahres: "Es war das schönste Schuljahr meines Lebens." Also wäre die Krise danach vorbei gewesen, dann wäre vielleicht nichts passiert. Wenn Sie Ihre jüngste Tochter noch mal beschreiben: Ist sie eher ein zurückhaltender Mensch, eher temperamentvoll? Wie war sie vor der Pandemie? Sie war ... Sie haben sie als aufgeweckt beschrieben. Sie selber hat, glaube ich, manchmal sich die Frage gestellt: "Bin ich manchmal zu laut?" Wir haben ihre Lebhaftigkeit immer wahnsinnig toll gefunden, denn sie ist nie zu laut gewesen, sondern unglaublich inspiriert, an allem interessiert. Hat sich in jede Debatte reingeworfen, gleichzeitig sehr empathisch, sehr sensibel, sehr an Harmonie interessiert. Innerhalb der Familie sozusagen die Gute-Laune-Stifterin, die verteilte also immer Gute-Laune-Pistolen, also, das war unsere Gute-Laune-Pistole. Und, wie gesagt, gleichzeitig sehr darum bemüht, neben der guten Laune auch immer eine harmonische Umgebung zu erleben und herzustellen. Sie haben gesagt, dieses Schuljahr, das dann wieder möglich war, hat sie genossen, vielleicht auch, weil man sieht, was es wert ist, mit Gleichaltrigen Zeit zu verbringen, Spaß zu haben, ist ja auch eine Lebensader. Dann gab es im Herbst wieder Einschränkungen, im Dezember hieß es dann, im Januar geht's nicht zurück in die Schule. Wie hat Ihre Tochter das dann aufgenommen? Über das Jahr 2020 gab es durchaus Phasen, wo wir uns gefragt haben: Woher kommt diese kleine Verdunkelung hin und wieder? Aber die haben wir einfach zurückgeführt auf die faktischen Einschränkungen und gedacht, wenn die vorbei sind, dann hebt sich das alles wieder. Aber es ist dann tatsächlich so gewesen, dass in dem Augenblick, wo angekündigt wurde, dass es nach den Weihnachtsferien nicht wieder in die Schule geht, es sozusagen einen fast sofortigen Zusammenbruch gab. Also als Analogie: Wie eine Primel, die nicht mehr gegossen wird, ist sie in sich zusammengefallen. Da hat auch Online-Unterricht nicht mehr geholfen. Sie hatte in den Wochen, Monaten davor immer artikuliert, dass sie die Schule wahnsinnig vermisst. Sie ist auch Sängerin, sie wollte gerne in den Chor. Sie hatte gesagt, ich will Teil von was Gemeinsamem, einer Gruppe sein. Und in dem Augenblick, wo der Zusammenbruch passierte, war sie nicht nur mental und physisch nicht mehr in der Lage, sondern sie hat in den Wochen danach gesagt, ich will nirgendwo hin. Und es kam zu einem totalen Rückzug. Eingehen wie eine Primel heißt, nur auf dem Zimmer, nicht mehr rausgehen? Es gab verschiedene Anzeichen dafür. Wir sind eine Familie, die gerne drei bis vier Stunden zusammen isst, wo debattiert wird und wo es hoch hergeht. Und es war dann zu beobachten, dass sie irgendwann begann, sich ihr Essen auf ihr Zimmer zu nehmen. Dass sie es dann nicht immer aufgegessen hat, das haben wir zu dem Zeitpunkt noch nicht geahnt. Und Teil des Rückzugs war dann, das wurde im Verlauf des selben Monats auch deutlich - und sie hat sich uns da Gott sei Dank auch anvertraut - dass neben einer Depression auch Selbstverletzungen auftraten. Und wir angesichts dieser Situation uns sofort um ambulante Hilfe bemüht haben. Die haben wir auch bekommen. Und ging's dann aufwärts? Aber es war so, als ob da ein Prozess in Gang gekommen wäre, den man mit keiner Macht der Welt mehr aufhalten konnte. Wir haben dann alles Mögliche versucht. Leider war's ja so, dass man nirgendwo mehr hinfahren konnte, sondern sozusagen zu Hause bleiben musste. Es gab noch eine Richtung, die man sozusagen legal einschlagen konnte, ich bin mit ihr zu Ostern '21 ein paar Tage in die Schweiz in die Berge gefahren. Sie hat das auch als eine gute Zeit empfunden. Und trotzdem war einfach dieser Prozess in Gang, den wir, wie gesagt, nicht stoppen konnten, den sie nicht stoppen konnte. Das führte zu ihrem ersten Klinikaufenthalt kurz nach Ostern in dem Jahr. Und da wurde dann nach einigen Wochen eine schwere Essstörung diagnostiziert, und es wurde Ihnen mitgeteilt, Ihre Tochter habe suizidale Impulse. Wie groß war Ihre Angst einfach auch? Wir sprechen immer wieder über Angst, weil ich glaub, das hat viel mit dem Thema insgesamt zu tun. Wie groß war Ihre Angst um Ihre Tochter? Also erst mal ist natürlich das ganze Leben auf den Kopf gestellt. Und natürlich ... beginnt man als Familie sich gleichzeitig die Frage zu stellen, wie konnte das alles passieren? Und man stellt sich die Frage: Was müssen wir, was können wir jetzt eigentlich tun? Und wir haben natürlich uns sehr intensiv sozusagen an das gesamte medizinische Hilfssystem gewandt, sehr intensiv mit den Ärzten zusammengearbeitet. Und ich würde jetzt persönlich sagen, dass der Faktor Angst zumindest bei mir weniger ausgeprägt war als wirklich tiefe Sorge. Und eine ganz tiefe Fragestellung, die da lautet: Kommen wir da je wieder raus? Sie haben dann eine sogenannte familienbasierte Therapie begonnen. Drei Monate lang haben Sie Ihr Kind intensiv begleitet, auch beim Essen. Wie lief das ab? Das war sozusagen eine selbst konstruierte familienbasierte Therapie, wenn ich das so sagen darf. Die ... Situation bis dahin war gewesen, dass unsere Tochter in zwei Abschnitten, einmal sechs Monate, einmal neun Monate, Klinikaufenthalte absolviert hat. In diesen Klinikaufenthalten wurde weder die Essstörung wirkungsvoll oder effektiv behandelt. Es wurde viel unternommen, aber es ist eben nicht dazu gekommen, dass sie bei der Entlassung in der Lage gewesen wäre, eigenständig zu essen. Und auch die anderen Phänomene wie Selbstverletzung ... Es kam eine extreme Sozialphobie dazu. Auch eine Depression. - Auch das. Also all diese Dinge sind, ich betreibe jetzt kein Klinik-Bashing, sondern ich beschreibe das einfach nur, die haben getan, was sie konnten. Fakt war, niemand wollte, dass sie hospitalisiert, aber es war sehr schwer, sie aus dem Klinikprozess rauszubekommen. In der Zeit habe ich mich mit alternativen Behandlungsmethoden beschäftigt und bin über Studien, Literatur auf ein Konzept gekommen, welches sich in der Tat familienbasierte Therapie nennt. Für die es in der Charité ein fantastisches Arzt- und Forscherteam gibt, welches jetzt grade dabei ist, daran wirke ich auch mit, diese Therapie in Deutschland überhaupt krankenkassen- leitlinienfähig zu machen. Bisher ist es aber nicht etabliert. Es ist erfolgreich in angelsächsischen Ländern, da ist die ambulante Familientherapie der erste Schritt. Ich hatte mich aber hinreichend intensiv damit beschäftigt, um mir zuzutrauen, sozusagen den Kern dieser Therapie mit meiner Tochter in einem Selbstversuch zu praktizieren. Und das bedeutete, drei Monate vollständige Gemeinsamkeit, zu Hause sein, gemeinsam einkaufen, in Teilen gemeinsam kochen und am Tag sich sechsmal treffen. Und anhand eines vereinbarten Plans zu versuchen, diese wahnsinnige Hürde zu überwinden. Das hat im Ergebnis auch einen ersten Durchbruch erbracht, weil es aber keine Struktur darum herum gab, ist das nicht nachhaltig gewesen. Es ist inzwischen ja auch anderthalb Jahre her. Und wir sind jetzt in einer neuen Phase, in der wir mit entsprechender Begleitung hoffnungsvoll sind, dass unsere Tochter sich da herausarbeitet. Wie geht's Ihrer Tochter denn heute? Unsere Tochter hat faktisch über drei Jahre hinweg ... nur sehr eingeschränkt an irgendwelchen sozialen ... Aktivitäten teilnehmen können, ist nur sehr eingeschränkt zur Schule gegangen. Sie hat aber Gott sei Dank ... Ziele, Wünsche. Sie arbeitet hart da dran, ihr altes Leben zurückzugewinnen, welches sie in der ganzen Breite mit Freunden, Musik und so weiter genossen hat. Und sie ... ist sehr darauf fokussiert, insbesondere in der Schule sich wieder zu integrieren und den Erfolg zu haben, den sie benötigt, damit sie künftig ihr Leben gestalten kann. Da liegt eine ganz, ganz wichtige Erkenntnis - wenn Sie in der therapeutischen Welt unterwegs sind, dann gibt es gegenüber dem Thema Schule so einen Vorbehalt, und der lautet: Schule ist immer Leistung, Leistung ist so eine zweischneidige Sache, die ist schlecht, das ist eine Belastung, wer krank ist, muss von Belastungen befreit werden. Faktisch ist es so, dass die Schule das wichtigste Sozialsystem und Sozialumfeld für heranwachsende Jugendliche überhaupt ist. Es gibt dem Tag Struktur und es gibt Orientierung. Und eine Anorexie, eine Magersucht, lässt sich nur aus einer Kombination von negativen und positiven Anreizen heilen. Die negativen Anreize sind: "Ich will nie wieder in die Klinik." Der positive Anreiz ist: "Ich möchte erfahren, dass ich wirksam bin." Und zur Wirksamkeit gehört, Leistung zu bringen. Und unsere Tochter hat nichts glücklicher gemacht, als wenn sie eine Leistung erbringen konnte. Aber es ist ein sehr harter Weg. Sie ist bisher in der Lage, Klausuren zu schreiben, sie nimmt ansonsten am Unterrichtsgeschehen eingeschränkt teil. Wir drücken Ihnen die Daumen, Ihrer Familie, vor allem auch Ihrer Tochter, dass dieser Weg weiter erfolgreich ist, dass diese Mischung funktioniert, die Sie grade angesprochen haben, dass sie auch immer wieder diese Erlebnisse hat, die sie stärken. An Sie alles Gute und Respekt dafür, dass Sie sich so einsetzen als Familie und auch Sie persönlich für Ihre Tochter. Danke. - Vielen Dank. Waren, Herr Müller, waren die langen Schulschließungen ein großer Fehler? Eindeutig, ja. Ich glaube, da ist die wissenschaftliche Erkenntnis eindeutig, und auch die politisch-gesellschaftliche. Ich würde das sogar noch erweitern, auf eine Gruppe, die man oft nicht im Blick hat, das sind die Studierenden, denen auch das gesamte soziale Umfeld weggebrochen ist. Der Job in der Dienstleistung, Gastronomie, Sportverein ging nicht, die waren nicht zu Hause, oft ja über 1.000 Kilometer von ihren Eltern getrennt. Da fehlte das also auch komplett. Und das ist eindeutig, dass diese Schulschließungen zu lange, zu oft waren. Wir haben allerdings, auch das muss man wieder miterklärend sagen, eine Situation auch gehabt, wo es ja jenseits der Schülerinnen und Schüler viele Beteiligte gab, nämlich die Eltern, die Großeltern und die Lehrerinnen und Lehrer. Ich kann mich erinnern an eine Situation, das war im November/Dezember 2020, dass unsere Bildungssenatorin damals gesagt hat: "Wir bereiten langsam die Öffnung auch wieder vor für einzelne Jahrgänge und so mit halber Klasse beschult." Mit Abstandsregeln und so. Wo es so heftige Proteste gab, dass wir diese Digitalangebote verlängert haben, bevor wir wieder Schulen aufgemacht haben. Das heißt, es waren nicht die Lehrer:innen verantwortlich für die langen Schulschließungen. Doch, da gab es auch Ängste. Am Anfang gab es viele Lehrerinnen und Lehrer, beim ersten Lockdown, die gesagt haben: "Wir gehen nicht in die Schule." Aber gab es nicht, wir gehen jetzt nicht in die Detaildiskussion, auch aus den Protokollen herauszulesen, selbst auch im Robert-Koch-Institut, Bedenken gegen die Schulschließungen? War nicht damals schon klar ... Andere Länder sind andere Wege gegangen. Ja, die gab's auch bei uns. Wir hatten im Senat auch Beratung von Sozialwissenschaftlern, die ganz klar gesagt haben: "Ihr müsst sehen, was das anrichtet in der Psyche auch der Kinder." Ja, klar, das war mit da. Und das war immer diese Gratwanderung: Müssen wir das machen, wann können wir wieder öffnen, wie können wir öffnen? Das Problembewusstsein war da, aber auch wieder bei vielen die Sorge: Entstehen da wieder neue gesundheitliche Probleme? "Die Schulen hätten offenbleiben müssen", hat auch der von Ihnen zitierte Lothar Wieler beim Abschied von seinem Chefposten gesagt aus dem Robert-Koch-Institut. Aber das sei nicht, Zitat, "mit der nötigen Sorgfalt, Ruhe und Sachlichkeit betrachtet worden." Teilen Sie die Meinung? - Es geht ein Stück weiter. Weil wir hatten schon im März 2020 eine Stellungnahme der Kinderärzte, die davor gewarnt haben, dass die Schulen so lange geschlossen werden. Und auch gesagt, dass das wirklich Schäden anrichten könnte. Und wir haben zu sehr, am Anfang vor allem in der Pandemie, das hat sich später geändert in 2021, aber am Anfang der Pandemie haben wir das sehr verengt auf die Virologie, die Sicht auf die Pandemie. Und zu sehr gesagt: "Die Wissenschaft sagt." Und die Politik hat sich hinter der Wissenschaft versteckt, die Wissenschaftler haben zum Teil Politik gespielt, und am Ende hat dann noch der Journalismus gesagt: "Das ist richtig, das ist falsch." Da müssen wir eine Definition reinbringen. Da stimm ich mit Ihnen auch nicht überein, Herr Müller, grad am Anfang der Pandemie haben wir diese Fehler begangen. Später hat sich das dann noch eingerückelt, wo verschiedene Expertisen reingeholt wurden. Aber das sind doch Lehren, die wir ziehen müssen, dass wir das für andere Krisen anders machen. Wenn wir nach vorne schauen, wir haben grade die Zahlen auch gehört, es gibt mehr Depressionen. Je härter die Maßnahmen waren, desto stärker ist das festzustellen. Ist jetzt von denen, die Verantwortung getragen haben, nicht auch eine Verpflichtung da, für die Kinder, für die Jugendlichen, für die Familien jetzt was zu tun, um das aufzufangen? Ja. Aber das fängt schon an mit diesen Digitalisierungsprozessen, wo wir gemerkt haben, was alles falsch ist. Natürlich bis hin zu psychologischer Beratung und Betreuung, die ja auch intensiviert wurde an den Schulen. Ob flächendeckend, das kann ich nicht beurteilen. Aber natürlich, dieses Problembewusstsein ist da, da will ich auch gar nichts schönreden. Ich teile da auch die Analyse von Herrn Streeck, am Anfang ging es schlichtweg darum, wie können wir möglichst viele Kontakte vermeiden? Viele Kontakte gibt es an der Schule, also hat man da hingeguckt, das war ein Fehler. Wenn wir uns fragen, was bleibt denn von Corona, dann dürfen wir ein Thema nicht vergessen, das ist Long Covid. Sina Mahlstedt, leidet an Long-Covid (Sprecher:) Symptome von Long Covid, auch als Post-Covid-Syndrom bezeichnet, reichen von Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwindel, über Geruchs- und Geschmacksverlust bis zu Depressionen und Fatigue-Syndrom, also Erschöpfung bis hin zur Bettlägerigkeit. Schätzungen gehen von 500.000 bis einer Million Betroffenen in Deutschland aus. Besonders dramatisch für Betroffene: Es gibt bislang keine zugelassenen Medikamente zur Behandlung von Long Covid. Die Therapie erfolgt daher immer nur symptomorientiert. Frau Mahlstedt, es gibt viele Menschen, die sagen, das eine ist das Leben vor der Pandemie und das andere ist das Leben, das mit der Pandemie begonnen hat. Sie leiden unter Long Covid. Sie haben sich 2020 im Beruf infiziert. Erzählen Sie aber mal, wo standen Sie da vorher im Leben? Welche Pläne hatten Sie mit der Familie, beruflich? Wo standen Sie? Ja, also ich hatte grade das zweite Mal geheiratet und wir waren wahnsinnig glücklich. Ich stand mit beiden Beinen im Beruf, ich hab zwei Kinder, ein Bonuskind, und wir hatten grade einen Neubau angefangen. Also wir hatten auch für uns noch mal einen Neustart gewünscht und hatten uns vorgestellt, viel zu reisen, weniger in unserem Garten arbeiten zu müssen, sondern die Zeit gemeinsam zu genießen. Wir sind viel Fahrrad gefahren. Also zwei Wochenenden, bevor ich erkrankt bin, sind wir 250 Kilometer mit dem Rad an der Ostsee entlanggefahren. Und ich hab viel Sport gemacht. Hab mein Familienunternehmen geleitet, gearbeitet und stand wirklich mit beiden Beinen im Leben. Und hatte keinerlei Erkrankungen vorher. Sie haben das Leben genossen, es hört sich ganz stark nach einer Aufbruchsstimmung an. Als Sie sich dann infiziert hatten im Job, wann haben Sie gemerkt: "Huch, das ist jetzt nicht wie eine normale Krankheit, das geht nicht mehr weg." Tatsächlich hab ich das recht schnell gemerkt. Als die Akutsymptome gegangen sind, hatte ich direkt starkes Herzrasen, konnte mich nicht mehr belasten. Mein Puls raste zwischen 170 und 35 hin und her. Ich war ziemlich beunruhigt als Krankenschwester, denn wenn das Herz nicht in Ordnung ist, macht man sich einfach große Sorgen. Und das waren eigentlich so die ersten Symptome. Dann folgte eine massive Schwäche. Eine Belastungsintoleranz. Also ich konnte mich zwar kurz belasten, aber dann hab ich so ein, zwei Tage später den Hammer obendrauf gekriegt und hab dann wirklich komplett flachgelegen. Und ... was mir immer wieder begegnet ist, ist dieses: "Mensch, streng dich doch mal an." "Geh doch mal raus an die frische Luft." Von Bekannten? Oder wo haben Sie das gehört? Das ganze Spektrum. Von Freunden, von Bekannten, von Familie zum Teil. Konnte Ihr Mann das gleich einordnen? Auf einmal ist da die Frau, die ruhelos ist, so höre ich das. Weil Herzrasen macht ruhelos. Auf der anderen Seite kann man nicht in die Aktivität. Wusste Ihr Mann das gleich? Nein, in dem Moment wusste noch keiner, was da mit mir passiert. Also, es kannte keiner Long Covid. Es war nicht bekannt, dass es Folgen gibt von Corona. Und natürlich war das für meinen Mann sehr schwer. Denn ich habe vorher alles gemacht. Mein Mann ist selbstständig. Ich hab so unsere Familie gemanagt. Und auf einmal liege ich auf dem Sofa und kann nicht mehr aufstehen. Das war wie zwei Personen. Auch weil Sie gesagt haben, Fahrradfahren, rausgehen. Was ist aus diesem Teil des Lebens geworden? Das findet nicht mehr statt. Oder nur an sehr guten Tagen, dass ich ein bisschen bei uns im Dorf mit dem Fahrrad fahren kann. Aber prinzipiell ist mir das einfach nicht mehr möglich, obwohl es ein Riesenteil meines Lebens war. Sie haben gesagt, von außen kam diese Reaktion. Ging das auch in Ihnen vor, dass Sie dachten, "Was ist mit mir los?" "Bilde ich mir das ein?", wenn Sie es nicht greifen konnten? Ja, natürlich. Ich habe zwischenzeitlich schon gedacht, ich habe es mit der Psyche, oder ich bin depressiv. Also, man zweifelt irgendwann an sich selber. Weil alle Untersuchungen, die ich gemacht habe, einfach gar nichts gezeigt haben. Bis dann irgendwann klar war, okay, diese ganz normalen Untersuchungen spiegeln einfach das Erkrankungsbild nicht wieder. Man muss an gezielte Stellen gucken, damit man etwas findet. Sie waren bei einer Fachärztin in Frankfurt. Mhm. - Und die hat an diese gezielten Stellen geguckt. Was hat die alles festgestellt? Mh, also, ich hatte vor allem Herzbeschwerden. Und, ähm ... sie ist spezialisiert auf Long-Covid-Folgen. Sie hat festgestellt, dass ich eine Myokarditis hatte. Eine Herzmuskelentzündung, eine Herzbeutelentzündung. Dass meine Gefäße entzündet sind, meine Koronargefäße verengt. Und dass meine Herzsymptome ein- deutig von dieser Erkrankung kommen, die aber vorher bei einem normalen Ultraschall bei einem Kardiologen nicht festgestellt werden konnten. Haben eigentlich Impfschäden und Long-Covid-Symptome manchmal, in manchen Bereichen, Ähnliches? Also, ich kann da nur spekulieren. Weil da ist die Wissenschaft noch nicht so weit. Aber es gibt in meinen Augen da schon eine Überschneidung, dass es bei Long Covid, genau wie bei der Impfung, zu Autoimmunreaktionen kommen kann. Und wir wissen ja auch, dass ... nach einer viralen Infektion kann es zu einer Herzmuskelentzündung kommen. Das Ganze kann auch bei Influenza passieren, auch bei Covid-19. Und es kann auch in seltenen Fällen mal nach einer Impfung passieren. Da gibt es Überschneidungen, weil ein Teil vom Virus mit drin ist, in der Impfung. Aber was genau die Ätiologie dahinter ist, die Ätiogenese, das kann ich natürlich auch nicht sagen. Wie lange hat es gedauert, bis Sie wussten, Sie haben Long Covid? Ja, also ... fast ein Jahr. Sie kommen ja aus dem Fach, Sie arbeiten im medizinischen Bereich. Hätten Sie das durchgestanden, wenn Sie nicht Kompetenz mitgebracht hätten? Ich glaube, ich bin sehr hartnäckig. Und von daher war mir immer klar, irgendwas kann nicht stimmen mit mir. Und ich war immer auf der Suche und war immer eine der Ersten, die Blut irgendwo eingeschickt hat, Autoantikörper festgestellt hat, die weite Wege gefahren ist. Also, ich bin von Sylt bis nach Bad Reichenhall quer durch Deutschland gefahren, um Fachärzte und Reha-Einrichtungen zu besuchen. Ähm ... und es war einfach klar, es kann irgendwas nicht stimmen. Weil diese massive Erschöpfung, die da ist, kann sich keiner vorstellen, der es nicht selber spürt. Also, man steht morgens auf und kann eigentlich schon nicht mehr. Man fühlt sich wie nach einem Zwölf-Stunden-Nachtdienst, gefeiert, mit Grippesymptomen. Und man kann sich nicht zusammen- reißen oder noch mehr wollen. Es funktioniert einfach nicht. Gab es auch mal Momente, wo Sie dachten, ich kann nicht mehr? "Es ist kein Ende in Sicht." Ja, als ich merkte, die Forschung kommt nicht in die Puschen. Ich hatte sehr auf BC007 gehofft. Und ich einfach gemerkt habe, meine Symptome werden immer schlechter. Ich werde nicht behandelt. Da habe ich abends gedacht, wenn ich morgen Früh nicht mehr wach werde, ist es auch nicht schlimm. Einfach weil ich so massive Symptome hatte. Nicht, weil ich lebensmüde war, sondern weil ich so voller Schmerzen war, die nicht behandelt werden konnten. Was oder wer hat Sie motiviert, weiterzumachen? (seufzt:) Schon meine Familie, ganz klar. Mein Mann, der halt jetzt immer an meiner Seite ist, der mittlerweile versteht, dass ich nicht kann. Der mich ganz oft selber schont und schützt. Wenn ich mal wieder was machen möchte, was zu viel ist, tippt er mir auf die Schulter und sagt: "Du weißt, dass das jetzt zu viel ist." "Wir lassen das lieber." Er ist da komplett an meiner Seite und unterstützt mich. Wie sehr ist das alles zu einer finanziellen Belastung geworden? Tatsächlich habe ich Glück, weil ich meinen Rentenantrag bewilligt bekommen habe. Das geht vielen anderen Betroffenen nicht so, die massiv, schwerst zu Hause im Bett liegen, nicht arbeiten gehen können und auf allen Ebenen bei Behörden scheitern und keine Gelder bekommen. Das ist einfach das Gemeine, dass ich manchmal das Gefühl habe, es wird vergessen, dass es Menschen gibt, die massiv und schwer betroffen sind von Erkrankungen, sei es Post-Vac oder sei es eben Long Covid, und wir auf allen Ebenen scheitern, sei es Arbeitsamt, Versorgungsamt. Also, ich hab 'nen Grad der Behinderung von 20. Den hab ich gestellt, da konnte ich keine 20 Meter laufen. Da hab ich das Haus nicht verlassen. Wo ich einfach sage, das ist 'ne massive soziale Ungerechtigkeit. Hier übernimmt keiner Verantwortung. Und das würde ich mir sehr wünschen. Also, durchaus ist mir bewusst, dass es auch Trittbrettfahrer gibt. Aber die Erkrankten müssen finanziell abgesichert werden und müssen unterstützt werden, medizinisch wie auch finanziell. Muss es den Menschen leichter gemacht werden auf dem Weg zur Anerkennung, dem Weg durch die Bürokratie? Das scheint oft das Problem zu sein, dass es so bürokratische und langwierige Verfahren gibt, dass manche einfach aufgeben, die nicht so kampfesmutig sind und auch diese Erkenntnisse nicht haben wie Sie. Wir haben hier auch zwei Beispiele, wo es zum Glück gelungen ist, sich gut durchzusetzen und die Leistung in Anspruch zu nehmen. Aber die Bürokratie ist ein Problem. Wie sieht Ihr Leben heute aus? Sie haben ja beschrieben, Sie waren aktiv, Sie hatten Ihr Unternehmen, Sie sind Rad gefahren, Sie hatten Pläne. Hat sich was verändert im Bekanntenkreis? Ja, die soziale Isolation ist ein ganz großes Thema. Sowohl durch die Maßnahmen, die da waren, habe ich viele Kontakte verloren. Aber eben später auch, weil ich nicht mehr auf Feiern gehen kann oder es nur noch sehr eingeschränkt tue, ich nicht mit Freunden essen gehen kann, oder das nur mit großer Vor- und Nachbereitung und mit In-Kauf-Nehmen, okay, ich liege danach zwei, drei Tage im Bett. Das tue ich mittlerweile ab und an, weil ich mir dieses Soziale wünsche und ich nicht außen vor sein möchte mit meiner Erkrankung. Aber das minimiert sich sehr. Hm. Haben Sie die Hoffnung, zurückkehren zu können in den Beruf, ins soziale Leben? Also, ich glaube, die Hoffnung ist ein großer Antreiber für mich. Ich bin weite Wege gegangen. Ich nehme viele Off-Label-Medikamente, die tatsächlich meine Symptome abmildern. Aber es ist eben weiterhin so, dass mein Alltag sehr eingeschränkt ist. Und ich muss immer noch viel liegen. Und es gibt eben Belastungs- und Entlastungsphasen. Und ich kann im Moment noch nicht arbeiten gehen, auch wenn ich es mir sehr wünsche. Wie ist das mit Ihrem Selbstbild gemacht? Also, die Reaktion von außen und der Weg durch diese Jahre? Oh. Das ist eine schwierige Frage. Äh, ich glaube, dass ich mittler- weile auch in meiner Erkrankung und in der Akzeptanz angekommen bin und mich so akzeptiere, wie ich jetzt bin, aber natürlich die Hoffnung nicht loslasse, wieder ein Stück weit mehr die Sina zu werden, die ich einmal war. Ist das die Hoffnung für die Zukunft? - Ja. Auf jeden Fall. Ich möchte gerne wieder arbeiten und gerne wieder mehr am Leben teilhaben. Und einen Satz möchte ich noch sagen. Meine Tochter, die habe ich letztens gefragt: "Merkst du, dass es mir besser geht?" Dann sagte sie zu mir: "Du bist wieder ein Mensch." (Applaus) Vielen Dank. Vielen, vielen Dank, Frau Mahlstedt. Wirklich auch noch mal vielen Dank, dass Sie uns so teilhaben lassen. Wir drücken alle die Daumen, alle, die wir hier sind, für Ihren weiteren Weg. - Danke schön. Vielen Dank, Frau Mahlstedt. Sie haben es schon mal gesagt, es ist wichtig, dass wir es aufarbeiten. Warum ist es wichtig, dass wir aufarbeiten, was war? Also, wenn man sich vor Augen führt, dass, wenn wir die letzten 400 Jahre überblicken, dann haben wir rund alle 50 Jahre eine Pandemie gehabt. Das hat sich durch die Globalisierung verdreifacht, die Geschwindigkeit. Sodass die Kinder und Jugendlichen, die jetzt die Pandemie vielleicht auch stärker ... Leidtragende von den Maßnahmen gewesen waren, die werden noch mal eine Pandemie erleben. Und für die gilt es doch, Lehren zu ziehen aus dieser Krise, dass wir das besser bewerkstelligen, dass wir vielleicht denen eine gesellschaftliche Resilienz fördern und das auch vielleicht als ein Proxy, als einen Stellvertreter für andere Krisen nehmen, damit wir uns als Gesellschaft nicht auseinandertreiben lassen, sondern alle gemeinsam diese Krise bewältigen. Frau Fischer, wir haben mit Ihnen angefangen. Welche Lehren sollten wir ziehen? Die Frage ist erst mal: Hat man eine Lehre gezogen? Das würde Herrn Prof. Dr. Streeck schon gerne fragen. Was kam jetzt unterm Strich eigentlich raus in diesem Aufarbeitungskomitee? Wir haben ja keine Aufarbeitung gehabt. Das ist gefordert, aber sie war noch nicht da. Ja, aber es entstand doch ein Komitee. Es gibt ja einen Expertenrat auch beim Kanzler. Es gibt verschiedene ... - Ja, und der Stand heute? Aber es wird noch diskutiert: Soll es jetzt eine Enquetekommission geben? Dauert das zu lange? Soll es noch mal einen Expertenrat geben? Diese richtige politische Aufarbeitung hat noch nicht stattgefunden. Warum wäre sie denn wichtig? Ja, klar, wie er ja auch sagt, dass für später, für unsere Kinder, Kindeskinder, wie auch immer, wenn es wieder Pandemien gibt, dass man daraus lernt, aus diesem, jetzt in meinem Fall zum Beispiel, dass man vielleicht auch wirklich dahingehend eine Sterbebegleitung hat. Und natürlich auch in anderen Bereichen. Aber die Frage ist halt ... über die Politik natürlich auch. So ein Ethikkomitee wurde ja extra, oder nicht Ethikkomitee, so ein Aufarbeitungskomitee, wurde ja extra gewünscht letztendlich. Aber die Bevölkerung weiß ja bis heute nicht, und das gibt es ja eigentlich schon jetzt eine ganze Zeit, was jetzt eigentlich die Lehre daraus ist. Hat sich was verändert? Fragen wir mal weiter. Welche Lehren sollten denn gezogen werden, Mathias Richling? Natürlich die Lehren, die Hendrik gesagt hat. Aber ich zweifle, dass sie auf lange Frist wirkungsvoll sind. Eher auf die kurze Frist. Also, wenn jetzt die nächste Pandemie in zwei Jahren kommt, dann haben wir sicher was daraus gelernt. Wenn sie in 20 Jahren kommt, glaub ich nicht, dass aus den Lehren was gezogen wird. Wenn Sie sagen, wir müssen alles tun, damit wir uns nicht noch mal so auseinanderdividieren lassen, was ist denn wichtig, um wieder einen Dialog in Gang zu setzen? Wenn ich sagen darf ... Also, was den Dialog verhindert hat, war sicher eine ... Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. War sicher eine ... ja ... eine Möglichkeit, den Menschen zu geben, gegeneinander zu arbeiten. Ich hab's gesagt in dem kurzen Einspieler, dass diese Aufforderung, andere Leute zu denunzieren, anonym zu denunzieren, wenn sie im Garten saßen mit Freunden und die Maske nicht getragen haben, das hat natürlich, das kennen wir aus der Geschichte, die Menschen gefördert: "Ach, mir passt die Nase nicht von ihm, den zeig ich einfach an." Wenn wir das vermeiden wollen, nicht in so eine Schikaniersucht kommen wollen, nicht mehr in das Unversöhnliche kommen wollen, Sie haben das Thema angesprochen, haben Sie eine Idee, wie Menschen mit unterschiedlicher Meinung mehr ins Gespräch kommen können? Das Wichtigste, was verloren gegangen ist in der Pandemie, ist, dass wir mehr Verständnis wieder wagen müssen. Füreinander, für die andere Meinung. Auch einfach mal sagen, we agree to disagree. Ich kann deine Meinung nicht hören, aber ich höre sie an. Das ist irgendwie verloren gegangen. Das ist richtig. Wir haben viele Phasen gehabt, über die wir über Maßnahmen- evaluation gesprochen haben. Die gab es. Es gibt den Expertenrat im Kanzleramt zur gesellschaftlichen Resilienz und Gesundheit. Aber es gibt nicht diese eine Aufarbeitung, diese Lehren zu ziehen. Ich finde, das ist etwas, was uns allen helfen wird als Gesellschaft, um hier wieder einen gesellschaftlichen Kitt zu finden. "Was von Corona bleibt" - vielen Dank an alle unsere Gäste. Danke schön. Genau. Wir sehen uns wieder in einer Woche. Dann mit dem Thema "Tapetenwechsel - einfach mal raus". Hören Sie gerne auch mal rein in unseren "Nachtcafé"-Podcast, "Das wahre Leben" - das lohnt sich. Bis zum nächsten Freitag in Ihrem "Nachtcafé". Und noch mal Danke an alle. Danke schön. SWR 2024

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