Höcke und seine Hintermänner | WDR Doku

(Höcke) Jetzt steht hier Björn Höcke vor Ihnen. Das ist jemand, der eigentlich kein Politiker ist. Den die Umstände in die Politik getrieben, gedrängt haben. Ich glaube, dass er in dem Glauben lebt, dass ihm etwas ganz Großes zugedacht ist. Björn Höcke will an die Macht. Erst einmal in Thüringen. Er ist sein weltgrößter Fan. Björn Höcke ist sein größter Fan. Björn Höcke ist ein Spitzenschauspieler der allerfeinsten Art. Manche trauen ihm Großes zu. Björn Höcke, Kanzler der Herzen. Ich glaube, das Zeug hätte er. Ein Mann, der Stimmen sammelt, indem er Stimmung macht. Sie lösen unser Deutschland auf wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl. Ein Politiker, der auch mal verbotene Nazi-Parolen verbreitet. Alles für Deutschland. Dafür hat ihn ein Gericht verurteilt. (Höcke) Ich denke an Jesus Christus. Ich denke an die Hexenprozesse. Die Justizkeule wurde immer auf das Haupt des Dissidenten, des Oppositionellen geschlagen. Jetzt wird es auf mein Haupt geschlagen. In seiner Selbstwahrnehmung ist er, Björn Höcke, der Held. Und er ist er, Björn Höcke, das Opfer. Björn Höcke ist ein extrem gefährlicher Politiker. Jemand, der Deutschland offenbar grundlegend verändern will. Mithilfe seiner Partei. Wir sind ja unterwandert worden. Wir sind von Höcke unterwandert. Was hat Höcke mit Deutschland vor? Steckt Höcke hinter Höcke? Oder folgt er dem Plan einer viel mächtigeren Bewegung? Ich glaube, dass ich ihn durchgängig und lange Jahre unterschätzt habe. Und dass das einer meiner großen Fehler war. Untertitel: WDR mediagroup GmbH im Auftrag des WDR Ich bin jetzt mehrfach gefragt worden, wann unser Hauptakt kommt. Er ist schon auf der Straße hierher. Ich denke mal, noch genau 15 min, wenn er keinen Unfall baut, dann ist er hier. Danke, dass ihr mir noch mal gelauscht habt. Gibt noch ein bisschen Musik. Jetzt ist er da. Ich darf unseren Landesvorsitzenden begrüßen und ankündigen. Hier ist er. (Menschenmenge jubelt) (Höcke) Liebe Mühlhäuser, liebe Mitbürger. Herzlich willkommen hier heute Nachmittag in der alten Reichsstadt Mühlhausen. Herzlich willkommen. * Jubel * Darf man das noch sagen? Reichsstadt? Es ist Superwahljahr im Osten. 3 Landtagswahlen stehen vor der Tür. In Thüringen will Björn Höcke Ministerpräsident werden. Der Verfassungsschutz stuft ihn als Rechtsextremisten ein. Für diesen Film hat er ein Interview abgelehnt und möchte auch unsere Fragen nicht beantworten. Im Wahlkampf beschwört Höcke immer wieder die Apokalypse. Die Altparteien von der umbenannten SED bis zur CDU, sie können es nicht und sie wollen es nicht. Ihr Werk ist ein Zerstörungswerk. Sie gehen mit einer riesigen Abrissbirne durch Deutschland. Björn Höcke arbeitet sich an seinen vermeintlichen Gegnern ab. Und das ist bei Höcke eben die "Elite" aus Wirtschaft, Politik und Medien, die gegen das Volk kämpfen. Und er ist quasi der Retter. Er ist der Volksführer, der für das Volk kämpft. Deutschland ist ein Patient, der kurz vor dem multiplen Organversagen steht. Es geht um die Existenz unseres Volkes. Es geht um nichts anderes als um das Sterben Deutschlands. Er braucht dieses Gerede vom Zusammenbruch, um ein ganz anderes System, um Mehrheiten für ein anderes System zu bekommen. Dass wir quasi kurz vor dem Untergang stehen als Deutschland, ist eine sehr, sehr wichtige Erzählung für die Neue Rechte. Weil sie damit so eine Art Notwendigkeit suggeriert, dass man jetzt etwas tun muss, um das Ruder rumzureißen. Höcke droht und malt Feindbilder. Für mich ist die AfD die letzte friedliche Chance, die unser Land hat. Die Gegner sind die Kartellparteien. Diese Herrschaften, das uns noch beherrschende politische und mediale Establishment ist Teil einer geschlossenen, transatlantischen Elite. Diese verschwörungstheoretische Erzählung, die Eliten, die globalen Eliten, die uns alle beherrschen und vernichten, jedenfalls zumindest verarmen wollen. Das halte ich für ziemlich starken Tobak. Woher kommt Höckes Hass auf vermeintliche Eliten, die Vorstellung von fremden Mächten, die Deutschland heimlich regieren? Anhausen in Rheinland-Pfalz. In der Nähe des Rheins, knapp 1.400 Einwohner. Hier ist der 52-jährige Björn Höcke aufgewachsen. Doch seine Wurzeln liegen im Osten und prägen seine Identität, wie er in einem Interview von 2021 erzählt. Ich bin ein Kind von Vertriebenen. Meine Vorfahren kommen überwiegend aus Ostpreußen. Ich bin mit der ostpreußischen Kultur auch als Kind zusammengebracht worden. Meine Großeltern haben mir viel erzählt von Ostpreußen, von der verlorenen Heimat, haben auch ihren Verlustschmerz an ihre Enkel weitergegeben. Ein Teil der Vertriebenen fühlte sich nach dem Zweiten Weltkrieg verraten. Von den Siegermächten, von der neuen Bundesrepublik. Das ist eine sehr politische Familie gewesen. Dieses politisch aktive Ostpreußentum, das ist bei Höckes Familie gegeben, und das hat er übernommen. Sein Vater hatte die Bauernschaft im Abo. Die Bauernschaft war eine neonazistische Zeitung, die in Deutschland verboten war, die aus Dänemark von einem deutschen Holocaust-Leugner vertrieben wurde. Auf unsere konkrete Frage, ob sein Vater Abonnent der Bauernschaft war, hat Björn Höcke nicht geantwortet. Anfang der 90er verlässt Höcke Anhausen, geht zum Geschichts- und Sportstudium nach Hessen und politisiert sich immer mehr. Björn Höcke ist früh Teil dieser Bewegung der Neuen Rechten gewesen. Wir wissen es seit seiner Studienzeit, dass er erste Kontakte gesucht hat in rechtskonservative Zirkel, zu Konferenzen gefahren ist. Ja, Björn Höcke, Kanzler der Herzen. Ich glaube, das Zeug hätte er. Höcke trifft wohl Anfang der 2000er auf den damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. Hohmann macht in dieser Zeit als Politiker Schlagzeilen wegen einer als antisemitisch bewerteten Rede. Er wird deshalb aus der CDU ausgeschlossen. Heute ist auch er AfD-Politiker. Martin Hohmann erzählt, ein gemeinsamer Bekannter und Förderer Höckes habe damals zu ihm gesagt: Und dann sagt er, oh Martin, der Björn Höcke, der hat eine große Zukunft vor sich. Aus dem wird mal was. Ich hatte aus diesen Gesprächen, die wir geführt haben, den Eindruck, dass Björn Höcke in Philosophie und Geschichte wirklich beschlagen ist. Und da habe ich so den 1. Eindruck von ihm bekommen. Da kann ich nur sagen, kenntnisreich und sympathisch. Das war mein Eindruck von Björn Höcke. Auch der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek gehört zu jenen Kreisen, in denen sich Hohmann mit anderen aus der "Neuen Rechten" trifft. Höcke lernt Kubitschek offenbar ebenfalls in dieser Zeit kennen. Götz Kubitschek ist durchaus ein Ideengeber. Und jemand, der auch dafür wirbt und dafür sorgt, dass wir ein breites... ...Ideenspektrum zumindest geboten kriegen. Dieser Götz Kubitschek gründet im Jahr 2000 gemeinsam mit einem Mitstreiter Hohmanns das "Institut für Staatspolitik". Dort beschwört Kubitschek immer wieder den Untergang Deutschlands, den Höcke später auf die Marktplätze trägt. Bei diesen Leuten ist das fester Bestandteil ihres Narrativs. Sehen Sie auch, genau solche Erzählungen kommen aus Schnellroda. Da haben Sie das ganz massiv. Ist Björn Höcke also Teil einer größeren und mächtigeren Bewegung? Folgt er möglicherweise einem bestimmten Plan? Schnellroda in Sachsen-Anhalt. Hier wohnt und denkt Götz Kubitschek auf einem ehemaligen Rittergut. Wie Höcke stammt er aus Westdeutschland. Kubitschek lebt zusammen mit seiner Ehefrau, der rechten Publizistin Ellen Kositza. Das Paar soll sich siezen und sendet auf unterschiedlichen Kanälen für die eigene Anhängerschaft. Immer mehr Leute, die sich bekennen, die sich zeigen, die sagen, ich habe auch die AfD gewählt. Der Verfassungsschutz stuft das Institut in Schnellroda 2023 als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein. Es verstoße gegen die freiheitlich- demokratische Grundordnung. Kubitschek ließ alle Fragen zu Schnellroda und seiner Person unbeantwortet. Es ist ein glasklar völkisches Weltbild, was da vertreten wird. Und was der reintransportiert in die Partei. Dazu muss der nicht in Berlin rumtouren. Die Jünger kommen sozusagen zu ihm nach Schnellroda. Dann werden da die Messen gelesen. (Kubitschek) Ich will auf jeden Fall einen Rechtsruck. Ich will, dass das, was links verrutscht ist, rechts korrigieren. Das ist ein echter Kulturkampf. Eine echte, harte, weltanschauliche Auseinandersetzung. Ich glaube, dass wir wirklich auf eine harte Zeit zugehen. Ich würde mir immer wünschen, dass es nicht so käme. Aber ich glaube nicht, dass das mit Gequatsche noch geregelt werden kann. Natürlich würde er es immer in Gesprächen erst mal abstreiten. Und er möchte gerne einen demokratischen Wandel erzeugen. Aber wenn es darauf ankommt, ist auch die Gewalt für Kubitschek ein Mittel. Gewalt als Mittel? Autor Christian Fuchs bezieht sich dabei auf weitere Aussagen Kubitscheks. 2024 hat Kubitschek das Institut für Staatspolitik, zumindest formal, aufgelöst. Nach wie vor betreibt er in Schnellroda seinen Verlag Antaios, mit dem er rechtsextremes Gedankengut verbreitet. Ich glaube tatsächlich, dass das Netzwerk Kubitscheks, dass der geistige Input Kubitscheks, einen großen Einfluss gehabt haben auf die Meta-Ebene der AfD. Und auf die Wirkmachtebene der AfD, die Björn Höcke verkörpert. Ist bekannt, dass ich einen engen Kontakt zu Götz Kubitschek habe. Und ich immer mal wieder geistiges Manna aus der Lektüre von Werken ziehe, die hier in Schnellroda entstehen. Wie Höckes Reden handeln auch Kubitscheks Werke vom Hass auf die Eliten, vom Vorbürgerkrieg, vom Abgrund, von Krisen. Bei Kubitschek klingt es allerdings so, als seien sie ganz willkommen. Die Krise beschwören, zuspitzen und provozieren. Höcke greift das auf. Unser Deutschland steht vor dem Staatsnotstand. Denn unser Deutschland befindet sich bereits im Staatszerfall. Auch andere prominente AfD-Politiker suchen die Nähe zu Kubitschek. Wie hier beim Sommerfest 2023. Aber keiner begeistert Kubitschek offenbar so wie Höcke. Höcke und Kubitschek zeigen sich immer wieder zusammen. Wie hier bei einer Podiumsdiskussion im Frühjahr 2024. Björn Höcke ist quasi die perfekte Inkarnation von dem, was Götz Kubitschek sich am Schreibtisch und in seinen Aufsätzen und in seinen Akademien ausgedacht hat. Höcke, das populäre Gesicht. Und Kubitschek, der Stratege im Hintergrund. Doch das Netzwerk ist größer. Reichen die Kontakte bis in die gewaltbereite Neonazi-Szene? 2008 zieht Höcke um nach Thüringen in das beschauliche Bornhagen. Direkt an der Grenze zu Hessen, wo er lange als Lehrer gearbeitet hat. Von nun an wohnt die Familie in einem alten Pfarrhaus. (Debes) Bornhagen ist, man muss es fast sagen, Björnhagen ist das deutscheste Dorf, was man sich vorstellen kann. In einer wunderschönen Landschaft gelegen im Eichsfeld. Das alte, gute Deutschland. Und deswegen ist Bornhagen tatsächlich das Symbol von Björn Höckes Weltbild. Am Tag, als die Umzugswagen vorfahren, soll Familie Höcke einen besonderen Umzugshelfer gehabt haben. Thorsten Heise, einen der führenden deutschen Neonazis. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Heimat, der früheren NPD. Als Björn Höcke und Heise sich in Bornhagen treffen, hat dieser eine lange Karriere in der Neonazi-Szene hinter sich. Er wurde wegen schwerer Körperverletzung und Volksverhetzung mehrfach verurteilt, saß 2-mal im Gefängnis. Versuchte 1989, einen libanesischen Flüchtling mit dem Auto zu überfahren. Hatte ein Ehrenmal der Waffen-SS in seinem Garten. Auch Thorsten Heise reagierte auf einen umfangreichen Fragenkatalog nicht. Wie eng ist die Beziehung zwischen Höcke und dem Neonazi? Eine Zeugin spricht erstmals vor der Kamera über deren Verbindung. Sie wohnte 2008 ganz in der Nähe Höckes. Aus Angst möchte sie unerkannt bleiben. Es war wirklich ein sehr heißer Tag. Und dann fuhr so ein Lieferwagen vor und wurde ausgeladen. Von, denke mal, 3 jungen Leute und der Herr Höcke. Und die haben Möbel reingetragen. Thorsten Heise war ja ein Begriff, da wusste man schon, was dahintersteckt. Wer letzten Endes solche Freundschaften pflegt, muss ja ähnlich denken. Thorsten Heise und seine Familie seien häufiger im Pfarrhaus zu Gast gewesen, erinnert sie sich. Ich würde schon sagen, dass das ein enges Verhältnis zwischen den Familien Höcke und Heise war. Offensichtlich hatte die Beziehung nicht nur privaten Charakter. In Zeitschriften des Neonazis Thorsten Heise erscheinen etwas später, 2011 und 2012, mehrere Artikel eines Autors, der offenbar unter Pseudonym schreibt: Landolf Ladig. Einen solchen Menschen gibt es nicht. Der Soziologe Andreas Kemper forscht zu Höckes Sprache. Dabei stolpert er über auffällige Formulierungen. "Organische Marktwirtschaft" ist eine davon. Kemper findet nur einen weiteren Autor, der den Begriff benutzt: Landolf Ladig. Er liest, was dieser Ladig sonst noch notiert. Darunter idyllische Beschreibungen des Örtchens Bornhagen, sogar von Höckes Wohnhaus. Ist dieser Ladig Björn Höcke? In dem Artikel heißt es unverhohlen: Ladig spricht sogar von 2 Präventivkriegen gegen das Deutsche Reich. Erst mal leugnet er die Kriegsschuld der Deutschen, von Deutschland. Und sagt sogar, im Gegenteil, es seien Angriffskriege gewesen auf Deutschland. Demnächst könnte es eine Revolution geben, darauf hofft er. Auf eine nationalistische Revolution, die an Nationalsozialismus anknüpft. Und Andreas Kemper findet in den Texten Ladigs weiteres Gedankengut aus dem Nationalsozialismus. Kemper publiziert seine Erkenntnisse 2015. Die AfD nimmt sie wahr, was später noch zum Problem für Höcke werden wird. Auch der Verfassungsschutz geht davon aus, dass Höcke Ladig ist. Björn Höcke selbst hat dies immer bestritten. Was sich nicht bestreiten lässt: Höckes Nähe zu Neonazis. Anfang 2010 in Dresden geht Höcke mit ihnen auf die Straße. Organisiert hat die Demo die rechtsextreme Junge Landsmannschaft Ostdeutschland. Höcke ist mittendrin. Zusammen mit vielen anderen brüllt er: (skandieren) Wir wollen marschieren. Wir wollen marschieren. Wir wollen marschieren. Wir wollen marschieren. Erst Jahre später wird Höcke auf den Bildern identifiziert. Da ist er längst Landesvorsitzender der AfD in Thüringen. 2017 wird er bei einem Parteitag darauf angesprochen. Aber Höcke verharmlost seine Teilnahme. Also, es war ein Suchprozess. Jeder Mensch macht mal... Läuft mal in Sackgassen rein oder der probiert was aus. Und ich war auf der Suche nach einer würdigen Gedenkkultur. Später nutzt Höcke Straßenproteste immer wieder für seine Zwecke. Die Strategie: Sich jeder Protestbewegung anzuschließen, die sich bietet. Die Krise als Chance. Ganz so, wie es der Chef-Ideologe Kubitschek vorsieht. Rückblick. 2010 erschüttert die Euro-Krise Europa. Einige EU-Staaten geraten ins Trudeln, und eurokritische Initiativen bekommen Aufwind. 2013 entsteht in Deutschland daraus eine neue Partei: die AfD. Die "Neue Rechte" schaut ganz genau hin. Kubitschek notiert kurz nach der AfD-Gründung 2013 zum Euro: Und Kubitschek beschreibt genau, wie er die AfD für seine rechtsextremen Ideen nutzen möchte. Björn Höcke tritt 2013 in die Partei ein. Bei der Landtagswahl 2014 holt die Partei mit ihm als Spitzenkandidat 10% der Stimmen und zieht in den Landtag ein. Schon kurz nach Einzug ins Parlament wird den beiden damaligen AfD-Abgeordneten Siegfried Gentele und Oskar Helmerich klar, dass Höcke offenbar einen Plan verfolgt. Denn nicht im Landtag in Erfurt, sondern in Schnellroda findet auf Geheiß Höckes die 2. Fraktionssitzung statt. Oskar Helmerich nimmt daran teil. Überwiegend hat der Kubitschek gesprochen. Wir haben da im Grunde da gesessen und haben ihm zugehört. Also, er hielt da auch einen Vortrag. Und wenn man dann genau zuhörte, dann wusste ich jedenfalls, in welche Richtung das geht. Und die Fraktion, so habe ich den Eindruck gehabt, darauf eingestimmt wird sozusagen, was Sache ist. Nachdem ich da also etwas mehr über Björn wusste, aber auch über seine Mitstreiter, wusste ich, wo dieses Schiff hinfahren will. Nämlich ganz nach rechts. An dem Abend in Schnellroda gibt es außerdem eine Führung durch den Verlag Kubitscheks. Nach einer Fraktionssitzung werden dort verlegte Bücher verteilt. Extrem rechte Gedanken in die Köpfe bringen. Wie hier 2017 auf der Leipziger Buchmesse. Kubitschek und seine Frau werden nie Mitglieder der AfD. Ihre Aufnahmeanträge abgelehnt durch den damaligen AfD-Vorstand. Noch grenzt sich die AfD-Spitze nach rechts außen ab. In den kommenden Jahren gelangen allerdings immer mehr Personen aus dem Schnellroda-Zirkel in die AfD. Schnellroda ist die extrem wichtige Ideologie-Tankstelle für die AfD. Die gesamte junge Generation der Parteijugend Junge Alternative wird im Grunde genommen dort ausgebildet, wird dort rhetorisch geschult, wird dort in Strategien geschult. Im Grunde genommen ist das die Parteiausbildungsstelle, die Parteiuniversität von der AfD. Die Junge Alternative ist bundesweit vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Björn Höcke zeigt sich häufig und gerne mit dem Parteinachwuchs. Die Parteijugend wird ja auch von manchen als Höcke-Jugend bezeichnet, Anspielung an die Hitler-Jugend. Der hat jedem und sei es noch so krassem Rechtsextremisten in der JA immer Rückendeckung gegeben. Und dann gesagt, ich bin euer Schutzpatron. Das ist ein Geben und Nehmen. Dafür erwartet er auch Gefolgschaft, die er von denen kriegt. Über die rechtsextreme Parteijugend wird an der Spitze der AfD viel diskutiert. Auch über eine Auflösung. Doch Höcke stellt sich vor sie. Alles, was in Richtung Abspaltung der JA geht, wird von mir den entschlossensten Widerstand erleben. Das kann ich an der Stelle sehr deutlich sagen. Um seine und Kubitscheks Ziele in der Partei durchzusetzen, wird Björn Höcke 2015 einer der Mitgründer des "Flügels". Kubitschek unterstützt Höcke und schreibt am Gründungsdokument der Erfurter Resolution mit. Nun hat die Parteirechte ihr eigenes Machtinstrument. Trotzdem sieht es im Sommer 2015 für die AfD nicht gut aus. In Umfragen erreicht die Partei weniger als 5%. Aber dann kommt der Herbst. Immer mehr Menschen flüchten nach Deutschland, v.a. aus dem Nahen Osten. Innerhalb von 2 Jahren nimmt Deutschland rund 1,2 Mio. Menschen auf. Eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Björn Höcke erkennt seine Chance. Eine weitere große Krise, die die AfD für sich nutzen kann. Erstmals ist er als Vertreter der Partei in einer Talkshow zu Gast. Vor einem Millionenpublikum. (Höcke) Da habe ich mir gedacht, bring etwas Farbe in diesen historischen Ort. Und das werde ich auch tun. Unsere Nationalflagge, und die werde ich jetzt hier auf meine Lehne hängen. Ehrlich, ich saß zu Hause, ich hab das gesehen live, ich hab mir die Hände über den Kopf geschlagen. Oh mein Gott, ich wäre also fast vor Scham, vor Fremdschämen im Erdboden versunken. Es war so peinlich. Das war völlig daneben. Die AfD profiliert sich immer mehr als Anti-Islam- und Anti-Migrationspartei. Allen voran Höcke. Klare Ansage an die Multikulti-Spinner des politmedialen Establishments: Wir werden keine illegalen Einwanderer integrieren. Nicht heute, nicht morgen. (schreit) Niemals. Höckes Reden sind unterschiedlich radikal. V.a. abseits einer großen Öffentlichkeit wie in Kubitscheks Institut in Schnellroda äußert er rassistische Theorien. Liebe Freunde, der Bevölkerungsüberschuss Afrikas beträgt etwa 30 Mio. Menschen im Jahr. In Afrika herrscht nämlich die "r-Strategie" vor, die auf eine möglichst hohe Wachstumsrate abzielt. Dort dominiert der "Ausbreitungstyp". Und in Europa verfolgt man überwiegend die K-Strategie. Die die Kapazität des Lebensraums optimal ausnutzen möchte. Hier lebt der Platzhalter-Typ. Diese ganze biologistische Rassentheorie, die greift Höcke dort auf, dass es unterschiedliche Rassen gibt. Und das ist eine Rassenbiologie, die aus dem Nationalsozialismus kommt, die im Nationalsozialismus auch groß geworden ist. Höcke bestreitet, dass es sich um rassistische Kategorien handele. Er behauptet auf seiner Internetseite, es sei "ein soziokulturelles Phänomen". 2015 wird Jörg Meuthen AfD-Chef. Er arrangiert sich zunächst mit dem Flügel und mit Höcke. Nicht ohne Eigennutz. Er befindet sich in einem Machtkampf mit seiner Co-Parteivorsitzenden Frauke Petry. Die stört sich schon länger an Höckes Rechtsaußenkurs sowie seinem wachsenden Einfluss in der Partei. Und dann sorgt Höcke Anfang 2017 für einen deutschlandweiten Aufschrei. Er provoziert mit einer Doppeldeutigkeit zum Holocaust-Denkmal in Berlin. ...sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180°. Wofür Höcke hier Applaus bekommt, ist ein rechtsextremes Motiv. Der angebliche Schuldkult, er will ihn beenden. Höcke betont später, er habe nicht die Schande des Holocaust infrage gestellt, sondern die Art und Weise der etablierten Erinnerungskultur. Frauke Petry reicht es nun. Höcke soll raus aus der AfD. Sie gibt ein Gutachten in Auftrag. Das zieht v.a. eine Geschichte nach oben: Höckes mutmaßliches Pseudonym, Landolf Ladig. Es kommt zum Schluss, Höcke sei dieser Ladig. Und Höckes Gedankengut zeige eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. So steht es im Antrag auf Parteiausschluss, kurz PAV. Ich habe auch Fehler gemacht. Ich hätte nämlich ihren Weg eines PAVs gegen Höcke damals mitgehen sollen. Und das war eine entscheidende Wegmarke. Ich bin diesen integrativen Kurs damals gegangen. Hab gesagt, der Flügel gehört zur Partei mit dazu. Wo Petry auf Kampflinie gegangen ist. Und da muss ich sagen, diese Kampflinie, die hätte ich mitgehen sollen. Dann wäre vieles anders gekommen. Das ist etwas, was ich mir vorwerfe. Das war falsch von mir. Höcke bleibt in der AfD. Mit Meuthens Hilfe. Petry verlässt bald darauf die Partei. Als sich Meuthen schließlich doch noch gegen den Flügel stellt und sich dieser auf Meuthens Betreiben hin formal auflöst, ist es längst zu spät. 2022 gibt Meuthen alle seine Ämter auf und verlässt ebenfalls die AfD. Mit seinem Ausscheiden wächst der Einfluss des Höcke-Lagers weiter. Kubitscheks Pläne sind offenbar aufgegangen. Ich habe die unterschätzt. Ich habe gedacht, das ist so randständig, die können niemals eine dominante Strömung werden. Das war mein größter Irrtum. Doch, können sie und sind sie. Wir haben ja, wenn man sich die Geschichte der AfD anschaut, von vornherein auf das richtige Pferd gesetzt. Wie meinen Sie das, auf das richtige Pferd gesetzt? Hat es andere Pferde gegeben? - Wir haben Häutungen erlebt. Also, wenn ich mal aufzählen darf: Lucke, Petry, Meuthen. Und diejenigen, mit denen wir unterwegs sind, auf die wir gesetzt haben, deren politischen Weg innerhalb der AfD wir für den richtigen halten, haben sich durchgesetzt, sind stärker geworden, das ist eine gute Entwicklung. Nach vielen Häutungen zeigt sich immer mehr der rechtsextreme Kern der Partei. Sind Kubitschek und Höcke nun auf dem Weg nach ganz oben? An die Macht? Anfang 2024. Hunderttausende Menschen demonstrieren in Deutschland gegen Rechtsextremismus. Auslöser ist ein Treffen in Potsdam, darunter AfD-Mitglieder und Martin Sellner, Posterboy der rechtsextremen Identitären Bewegung. Hier sieht man ihn zusammen mit Götz Kubitschek. Auch Sellner wie die gesamte deutschsprachige Identitäre Bewegung ist ideologisch geschult in Schnellroda. Im Mittelpunkt des Treffens in Potsdam steht ein Begriff: Remigration. Es geht dabei um Abschiebungen in großem Stil. Der Begriff ist nicht neu. Auch Höcke hat ihn 2018 schon in seinem Buch verwendet. Es ist ein sehr ehrliches, authentisches Buch, weil er darin schon so seine Gefühlswelt offenlegt und seine ideologische Herkunft deutlich macht. Und auch relativ unverhohlen an einigen Stellen das schreibt, was er denkt und was er umzusetzen vermag. Also, wenn man bösartig sein will, könnte man sagen, das ist sein "Mein Kampf". Bezogen auf vermeintlich nicht integrierbare Migranten, schreibt Höcke: Im Welt-TV-Duell mit CDU-Kontrahent Mario Voigt wird Höcke gefragt, was er mit dem Begriff Remigration eigentlich meine. Er weicht aus. Remigration ist ein Alltagsbefund. Jeden Tag remigrieren, remigrare, lateinisch zurückwandern, migrieren Menschen zurück in ihre Heimat. Das ist ein normaler Vorgang, aber mir geht es um... (Moderatorin) Die tun das aber freiwillig. Mir geht es v.a. um die deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland leben, weil sie... (Moderatorin) Das ist eine ganz neue Definition. Das ist eine alte Definition von mir. Höcke findet eine ganz neue Interpretation des Begriffs Remigration. Plötzlich meint er damit die Deutschen im Ausland. Er bedient sich damit einer weiteren Strategie von Kubitschek, der Selbstverharmlosung. Kubitschek beschreibt sie so: Höcke benutzt diese Strategie im Laufe der Jahre immer wieder. Der Verfassungsschutz kommt kurz nach der Veröffentlichung des Buches zu der Einschätzung: Björn Höcke ist der Rechtsextremist. In Höckes Weltbild, so der Verfassungsschutzbericht Thüringen von 2022, würden u.a. Migranten generell als kriminell dargestellt und verächtlich gemacht. Dies verstoße gegen das Prinzip der Menschenwürde. Sein Ziel sei es, staatliches Handeln als illegitim erscheinen zu lassen. Höcke schreibt in seinem Buch: Bei Höcke geht es letztlich um die Revolution, um den Umsturz. Und für den Umsturz braucht er Teile von der Polizei und von der Bundeswehr, die auf seiner Seite stehen. Sein Ziel ist nicht, an einem demokratischen Diskurs teilzunehmen, sondern diesen abzuschaffen. Das für ihn wahrgenommene marode System einer Demokratie mit den Laberbuden der Parlamente, was nicht vorankommt, was verkrustet ist, was alt ist, abzuschaffen. Ein wichtiges Werkzeug dabei für Höcke? Seine Sprache. Landgericht Halle, Frühjahr 2024. Björn Höcke soll sich vor Gericht verantworten. Höcke soll bei Parteiveranstaltungen öffentlich eine verbotene Nazi-Parole verwendet haben. Verantworten muss er sich für eine Rede vor 3 Jahren. Höcke ist damals der Gastredner im Landtagswahlkampf in Merseburg. Schwerpunkt seiner Rede: die Einwanderung nach Deutschland. Er endet dann so: Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland. (Wellmer) Alles für Deutschland, die Parole der SA. Von der Bedeutung habe er nichts gewusst, behauptet er. Kennt sich Höcke, der Geschichts- lehrer, wirklich nicht aus? Oder steckt dahinter das Ziel, den Nationalsozialismus zu verharmlosen? Was wäre das für eine Zielsetzung, mitten im Wahlkampf einen "Nazi-Skandal" in Deutschland zu produzieren? Nein, ich habe keine Provokation vorgehabt. Mir war der Kontext dieses Ausspruches nicht bekannt, auch als Geschichtslehrer nicht. Er will die NS-Sprache wieder sprechbar machen, das ist die Strategie. Bislang hat er immer nur NS-Rhetorik benutzt, und zwar massiv NS-Rhetorik, die nicht verboten war. Aber irgendwann muss er dann dazu übergehen, die verbotene Sprache zu benutzen, auch verbotene Sachen zu machen. Der Sprachraum muss erweitert werden, um die Denkweise zu ändern, um zum anderen Handeln zu kommen. Sprechräume erweitern. Eine Methode, die Götz Kubitschek genauso empfohlen hat. Wir müssen natürlich mit der gebotenen Klugheit immer wieder und immer weiter die Sprechräume erweitern. Wie schnell das gelingt und wie provokativ man dabei sein darf, das ist manchmal auch eine spontane Entscheidung, die ich als Politiker in konkreten Situationen zu treffen hat. Man kann darüber reden, ob "Alles für Deutschland" ein strafbarer Ausdruck sein sollte. Das ist gar nicht mein Thema. Mein Thema ist, er weiß es und er macht es. Urteilsverkündung am Landgericht Halle. Höcke wird zu 13.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Der Richter hat sich noch mal ausdrücklich an Björn Höcke gewandt und hat gesagt: Herr Höcke, Lehrer und Richter verbindet eines, dass sie sehr sorgsam mit der Sprache umgehen müssen. "Höcke habe gewusst, dass es sich bei den letzten 3 Worten um eine verbotene SA-Parole handelt, urteilt das Gericht. Das bestritten Höcke und seine Verteidiger zuvor vehement." Wieder sieht sich Höcke als Opfer. Es ist klar geworden, dass ich Opfer einer verzerrten Medienberichterstattung bin. Dass ich mit Nationalsozialismus nichts am Hut habe und dass ich völlig unschuldig bin. Auch in einem weiteren Gerichtsverfahren geht es um diese Parole, nur bei einem anderen Auftritt von Höcke. Wieder wird er zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Höcke hat Revision eingelegt. Und er geht in die Offensive. Er attackiert den Staat. Ich verspreche euch, wenn die AfD an der Regierung ist, werden diese politischen Schauprozesse aufgearbeitet werden. Dann wird es eine neutrale Justiz geben, dann werden wir eine ordentliche Rechtspflege haben. "Politische Schauprozesse aufarbeiten." Eine unverhohlene Drohung gegen unabhängige Richter und Staatsanwälte. Höcke sieht sich zu Unrecht bestraft. Ich denke an Jesus Christus, er wurde ans Kreuz geschlagen, nachdem man ihm kurzen Prozess gemacht hatte. Ich denke an die Hexenprozesse, die Inquisitionsgerichte. Die Justizkeule wurde immer auf das Haupt des Dissidenten, des Oppositionellen geschlagen. Jetzt wird es auf mein Haupt geschlagen. Bei Herrn Höcke hat man manchmal das Gefühl, das ist irgendwie auch eine komische Figur. Aber daran ist nichts komisch. An Björn Höcke ist nichts komisch. Ende Juni 2024. Parteitag der AfD in Essen. Auch Höcke ist hier. Aber anders als früher hält er sich im Hintergrund. Denn die Partei ist längst dort, wo Höcke und Kubitschek sie ideologisch haben wollen. Er ist immer noch 100%ig an der Seite von Götz Kubitschek. Da gibt es kein Blatt Papier, was zwischen die beiden passen würde, ideologisch oder menschlich. Die Saat aus Schnellroda scheint aufgegangen zu sein und ist in Essen überall zu sehen. Die "Höcke-Jugend" hat einen vielbeachteten Stand im Foyer. Erstmals sitzen in der neu gewählten Parteiführung 3 Mitglieder, die hochrangige Funktionäre der Jungen Alternative sind oder es früher waren. Der nutzt die auf Parteitagen, um seine Leute durchzukriegen. Die Parteisoldaten, die er positioniert. Die sind gut vernetzt, die sind sehr flink mit ihren Handys dabei, die sind in Abstimmungen hochaktiv. Und das funktioniert. Höcke selbst greift nicht nach dem Parteivorsitz. Er konzentriert sich lieber auf die Landtagswahlen in Thüringen. Laut Umfragen könnte die AfD dort stärkste Partei werden. Höckes Ziel: das Ministerpräsidentenamt. Beim Parteitag in Essen tritt er auf wie ein Ehrenvorsitzender und spielt seine Macht im Hintergrund aus. Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen Macht, realer Macht und Wirkmacht. Weil natürlich ihm eigentlich es genug ist, dass er diese Partei von hinten führt oder mitsteuert. Gucken Sie sich den Bundesvorstand an, gucken Sie sich die Europawahlliste an, dann haben Sie auch die Antwort. Da geschieht nichts mehr, was nicht Höckes Billigung hat. (Fuchs) Er weiß, Strippen zu ziehen und Mehrheiten zu beschaffen. Björn Höcke ist ein extrem gefährlicher Politiker. (Gentele) Höcke möchte dieses Land regieren als Alleinherrscher. Bin ich fest von überzeugt. Wonach wir uns alle sehnen, wonach ein Großteil unseres Volkes sich sehnt, das sind wieder echte Staatsmänner. In seinem Buch heißt es: Träumt Höcke davon, selbst diese Führungsfigur zu werden? Zunächst hat er ein ganz konkretes Ziel: Der 1. AfD-Ministerpräsident zu werden. Sollte das gelingen, wäre Thüringen wohl nur ein 1. Schritt. Copyright WDR 2024