Working class Μια ελληνογερμανική βιβλιοσυνάντηση για τη Μεσαία Τάξη

Guten Abend, meine Damen und Herren. Die Dolmetscherinnen hören uns nicht. Können sie uns hören? Können sie uns hören? Ok. Guten Abend, meine Damen und Herren. Mein Name ist Tasos Telloglou und ich koordiniere die heutige Buchvorstellung, die folgende Bücher betrifft: Das Buch Working Class von Julia Friedrichs, das in Berlin erschienen ist, und Die Abenteuer der Mittelschicht [Οι περιπέτειες τη μεσαίας τάξης], von Panagis Panagiotopoulos, das in Athen erschienen ist. Als... Als die... Als die Heinrich Böll Stiftung mich bat, bei dieser Präsentation zu helfen, hatte ich das Buch von Panagis gelesen, aber nicht das von Julia. Ich kannte ihre Werke und konnte mir vorstellen, worauf sie mit dem Buch Working Class abzielte und so dachte ich, es könnte nicht unterschiedlichere Bücher geben, wie könnte man sie zusammen präsentieren? Aber Working Class ist voller unerwarteter Wendungen auch wegen der Pandemie, aber nicht nur wegen ihr. Friedrichs beschreibt, ohne den Sicherheitsabstand zu überschreiten, der für die Arbeit der Journalisten notwendig ist, der professionellen Beobachter, die Unsicherheiten von Menschen, die in Deutschland leben und kein Vermögen haben. Sie haben nur ihr Gehalt. Dies ist das zentrale Thema ihrer Beobachtungen. Als ich Working Class gelesen hatte, wurde mir klar, dass diese beiden Bücher trotz so unterschiedlicher Situationen, so unterschiedlicher Volkswirtschaften und Gesellschaften ein gemeinsames Grundelement haben. Dieses gemeinsame Grundelement ist im Titel ausgedrückt, den Friedrichs ursprünglich diesem Buch verleihen wollte: "Ihr werdet es einmal schlechter haben", sagt die ältere Generation zur nächsten. Panagiotopoulos beschreibt es anders. "Jede nächste Generation hat es etwas besser". Das ist was er bezüglich der griechischen Mittelschicht ab den 50er Jahren beobachtet. Friedrichs beobachtet, wie die Musiklehrerin Alexandra, der U-Bahn-Reiniger Said und der IT-Experte Christian mit Euro und Cent um ihr Auskommen kämpfen, entweder weil sie in Unternehmen arbeiten, die unsichtbar sind, oder weil sie Freiberufler sind oder weil sie seit Jahren auf dem gleichen Lohnniveau festhängen. Wie Alexandra und Said, zum Beispiel. Oder weil sie völlig ersetzbar sind, wie Christian, der eine feste Anstellung hat, aber ein gesundheitliches Problem macht ihn für das Unternehmen zu einem Problem. Es gibt noch weitere wichtige Nebenfiguren in dem Buch, wie den zukünftigen Chef des Bundeskanzleramtes der Regierung Scholz, der aus dem Mund der Autorin die Worte von Said über die Sozialdemokraten in der Agenda 2010 erfährt. Said sagt: "Wenn man Scheiße gefressen und ausgekotzt hat, probiert man die gleiche Scheiße nicht noch einmal", vor den Wahlen im September. Genosse Schmidt, so heißt der Partner von Scholz, räumt ein, dass Said Recht hat, und versucht der Autorin zu erklären, wie die Sozialdemokratie zu einer Umverteilung des Einkommens zugunsten des 1% der Bevölkerung geführt hat, das 35% des Reichtums des Landes besitzt. Das ist für mich der Höhepunkt in Working Class. Und da ich jetzt Julia Friedrichs neben mir habe, möchte ich sie folgendes fragen: Führten Beobachtungen wie Ihre und das, was wir in den drei Wellen der Pandemie mit den Pflegekräften, den Straßenreinigern, den Busfahrern, den Supermarktkassierern, den Kurieren erfahren haben, zu dem Slogan Respekt? Das war ja das zentrale Wahlkampfmotto von Scholz bei den von der SPD gewonnenen Wahlen. Und führte das schließlich zum Bepreisen von Respekt -da Respekt immer einen Preis hat- und zu einem Stundenlohn von 12 Euro im Regierungsprogramm? Andererseits wird in demselben Programm, das erst vor zwei Tagen veröffentlicht wurde, nicht erwähnt, wie diesen Schichten der Vermögenserwerb erleichtert werden soll, z. B. der Kauf von Wohnraum, ein wichtiges Problem für Menschen, die in Deutschland über kein Vermögen verfügen. Das Dach über dem Kopf ist der Bienenstock der griechischen Mittelschicht. Das Herz der Familie. Der sichere Hafen, der Ort, an dem die Kinder die Möglichkeit finden, ihre Lebensgeschichte zu entfalten, die Kinder, die nach dem Krieg geboren wurden, schreibt Panagis Panagiotopoulos. Panagis sagt, dass die Existenz der Mittelschicht Sinn machen würde, wenn der Individualismus in einem einzigen Land, und zwar in jedem einzelnen Land, umgesetzt werden würde. Das heißt, in einem Kontext, in dem die Volkswirtschaft sich leichter oder schwerer an die Erfordernisse der sozialen Sicherheit anpassen ließ und in dem die Wirtschaftspolitik die Mittel für eine spürbare Verbesserung des Lebensstandards von Generation zu Generation ermöglichte. Die tiefgründigen Veränderungen, die in den 1990er Jahren begannen und sich nach dem Beginn des Memorandums beschleunigten, spalteten, so der Autor, diese Mittelschicht, die sich im Wesentlichen aus Selbstständigen, einigen Privatangestellten und Beamten zusammensetzt, in zwei Kategorien. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um eine Anmerkung zu Freiberuflern zu machen. Heute wurde eine OECD-Statistik veröffentlicht, der zufolge machen Freiberufler in Griechenland immer noch 31% der erwerbstätigen Bevölkerung des Landes aus, was doppelt so viel ist wie im Rest von Europa. Auf den ersten drei Plätzen dieser OECD-Statistik, d. h. noch vor Griechenland, befinden sich drei lateinamerikanische Länder und das sagt etwas aus. Panagiotopoulos stellt daher fest, dass diese Mittelschicht in zwei Teile geteilt ist. Eine Gruppe, die sich ohne Angst de-territorialisiert, d.h. in der Globalisierung mitschwimmt, und eine andere Gruppe, die sich als Bewahrer der bisherigen bürgerlichen Kultur sieht. Natürlich ahnt die erste Gruppe auch nicht, was eine interessante Beobachtung ist, dass z. B. ein Flug am Wochenende für zwei Euro nach Krakau nach ein paar Monaten auch Folgen für ihre eigenen sozialen Lebensverhältnisse haben könnte. Sollte man die Tarife erhöhen? Das frage ich Panagiotopoulos. Die neue deutsche Regierung sagt, wir sollten dies tun und ich denke, dass Frau Friedrichs teils damit einverstanden sein könnte, aber andererseits wäre sie sicherlich auch auf der Seite der Gelbwesten, die darauf reagiert haben, als es teurer wurde, von zu Hause zur Arbeit zu kommen. Alle reden vom Gespenst der Mittelschicht nach dem Regierungswechsel im Jahr 1974 in Griechnland, die dazu neigt, sich aufzulösen, sagt Panagis Panagiotopoulos, anlässlich der Wahlen 2019, um nun von den deutschen Wahlen zu den griechischen Wahlen zu wechseln. Die heutige Regierung hat die Wahlen gewonnen, indem sie auf die Belastungen verwies, die wegen des dritten Memorandums die Mittelschicht trafen. Aber gab es diese Mittelschicht, auf die der Autor sich beruft, zu dem Zeitpunkt, als er sie ansprach? Oder existierte sie schon nicht mehr? Die Frage stelle ich Panagiotopoulos. Nach mehr als einem Jahrzehnt des Schweigens über eine blühende Mittelschicht kam die übermäßige Darstellung einer geschrumpften Version dieser Klasse. Wenn die Art und Weise, in der sich die Mittelschicht reproduziert, nicht mehr gibt, d. h. mit Mehrfachbeschäftigung, mit verschiedenen Einkommen, die ins Haus kommen usw., steht die griechische Familie vor dem Scherbenhaufen des bisherigen Modells der sozialen und wirtschaftlichen Reproduktion und die Kinder können somit nicht aufsteigen und tun nun etwas anderes, was sie bisher nicht getan haben: Sie verlassen das Land. Das heißt, sie verlassen nicht nur ihre Familie, sie verlassen das Land. Nicht alle, aber viele von ihnen. Abschließend möchte ich noch eine Frage stellen und auf eine letzte Beobachtung eingehen, die Panagis in seinem Buch macht. Mit anderen Worten, geht es um das politische Tagesgeschehen, das sich in den Wahlen 2019 und darüber hinaus ausdrückt. Es geht um den Beitrag von der SYRIZA-Partei zum Erhalt des griechischen Sozialmodells mit den Veränderungen, die zwischen 2015 und 2019 vorgenommen wurden. Und, wenn Sie so wollen, in gewisser Weise zur Bewahrung der griechischen Besonderheit. Denn diese Zahlen von Freiberuflern zeigen, mehr oder weniger, dass die griechische Besonderheit trotz aller Bemühungen überlebt hat. Oder gerade noch überlebt. Aber kann die griechische Besonderheit in der globalisierten Welt bestehen bleiben? In einem europäischen Wirtschaftsmodell, in dem die Kapitalintensität nun auch die ökologische Aufwertung der Produktionsmittel umfasst? Wird sie nicht noch dringlicher, diese Globalisierung, für ein Unternehmen, das zu 80 % aus vier Mitarbeitern besteht und in Familienbesitz ist? Das ist alles aus meiner Sicht, die Anmerkungen, die ich für beide Autoren hatte, und ich möchte nun Julia Friedrichs das Wort erteilen, die aus ihrem Buch vorlesen wird. Panagis, Sie haben das Wort für Ihre eigenen Anmerkungen. Vielen Dank, Tasos. Vielen Dank auch an Julia. Danke auch an das Goethe-Institut und an die Heinrich Böll Stiftung und unsere Verleger für die Organisierung dieses sehr schönen Zusammenkommens, das auf den ersten Blick unpassend und paradox erscheint, du hast Recht, Tasos. Aber dann ist die Koexistenz der beiden Bücher gerechtfertigt, weil sie einen großen historischen Unterschied widerspiegelt auf beiden Seiten, in beiden Ländern. Wir wissen, dass es ein goldenes Zeitalter für die großen Massen in Deutschland und in Europa und in Griechenland gab und wir wissen, zwar durch andere Mechanismen in jeder Wirtschaft und in jeder Gesellschaft, dass die Menschen -ein großer Teil der Bevölkerung- das Gefühl haben, dass dies vorbei ist, dass es nicht einfach ist, es wieder zu erleben. Und das Gefühl der Unsicherheit, das manchmal zu einem Eindruck der Bedrohung wird, ist stark. Was kann man über Griechenland im Vergleich zu Deutschland sagen, was die soziale Grundstruktur betrifft? Diese Grundstruktur, die einst blühte und die, ohne völlig zerstört zu sein, ohne ein Gespenst zu sein, nicht mehr ein robuster sozialer Motor für den Fortschritt des Landes ist. Das bezeichne ich als Mittelschicht, wobei ich in meinem Ansatz in diesem Zusammenhang die obere Mittelschicht mit hohem Einkommen und großer sozialer und geografischer Mobilität, aber auch den unteren Teil des alten Bürgertums einbeziehe. Und zwar alle diejenigen und die dazwischen führten in Griechenland insbesondere in den Jahren nach dem Regierungswechsel 1974 zwar nicht dasselbe Leben, aber ein ähnliches Leben. Sie lebten, wie ich es beschreibe, ein Leben unter dem selben Himmel. Sie mussten sich um die gleichen Dinge sorgen, sie konnten die gleichen Dinge erwarten und es gab eine gewisse Solidarität trotz der politischen Konflikte, die sehr heftig waren, eine gewisse Solidarität. Denn das Konzept dieser Volksgesellschaft, die diese dominierende Mittelschicht hat, die nie ihren Namen aussprach, existierte und erlaubte bis zu einem gewissen Maße die Entwicklung von Lebenswegen, wenn auch mit familiären, moralischen, und systemischen Beschränkungen. Aber es gab die Möglichkeit zu sagen: Ich werde in der Zukunft vorankommen, ich werde eine Zukunft schaffen, ich werde ein Ebenbild von mir in der Zeit danach schaffen. Und heutzutage, so wie in Deutschland und in vielen anderen Ländern in Europa, funktioniert das nicht oder nicht mehr so wie früher. Ein paar Anmerkungen über Griechenland und die Mittelschicht und eine kurze Antwort auf die Fragen von Tasos Telloglou, wenn ich sie mir alle merken kann und wiedergeben kann. Tasos, Sie sagten, dass der Ausweg in den Krisenjahren für die Kinder der Mittelschicht, die sich nicht mehr reproduzieren konnten, nicht darin bestand, das Haus zu verlassen, das Nest zu verlassen, weil der Haushalt und das Familieneinkommen nicht mehr ausreichten, um einen Lebensplan zu verwirklichen, sondern darin, das Land zu verlassen. Dies ist entscheidend und sehr wichtig. Ich möchte hinzufügen, dass dies aus kulturellen Gründen, und nicht nur, auch die einzige Möglichkeit war, das Elternhaus zu verlassen. Die jungen Griechen verließen ihr Elternhaus nicht unverheiratet. Weder Jungen noch Mädchen in den 1990er und frühen 2000er Jahren. Sie warteten verschiedene Umstände ab, -moralische, emotionale und wirtschaftliche- bevor sie in der Regel verheiratet die Familie verließen, ich wiederhole sowohl Jungen als auch Mädchen, und einen eigenen Haushalt gründeten, aber immer noch unter der Aufsicht des elterlichen Haushaltes. Die Krise war so schwerwiegend und die Reproduktionskrise so heftig, dass sie es den jungen Menschen ermöglichte, die langjährige familiäre Obhut zu verlassen und sich ein Leben von Grund auf aufzubauen außerhalb von Griechenland. Und das ist ein sehr spezielles Thema, das wir nicht gut untersucht haben, das wir aber sehr wohl spüren. Das heißt, was in Deutschland, Schweden und Frankreich mit der so genannten Generationskluft, mit dem Generationenkonflikt Ende der 1960er geschah, wo junge Menschen aufbrachen und zwar in völliger Auseinandersetzung mit der Lebensweise und den Ideen ihrer Eltern, geschah hier zwangsweise, ohne solche Gründe und durch die Not oder auf jeden Fall durch die schwierigen Umstände der Auswanderung. Wir wissen nicht, ob diese Menschen zurückkehren und unter welchen Bedingungen, ob sie es wollen, was es bedeutet zurückzukehren. Das ist die eine Sache. Der zweite Punkt ist eine kleine Anmerkung. Sie haben das Thema schon kurz angesprochen. Sie haben es erwähnt, Tasos, das Thema Mobilität. Diese Globalisierung für die jungen Menschen der Mittelschicht in Europa und für diese working class, also für junge Menschen zwischen 30-35, die ist der Elefant im Zimmer. Das heißt, wir machen uns sehr leicht Vorwürfe, dass es einerseits unsere Schuld ist, dass wir nicht vorankommen und nicht genug arbeiten und wir prangern auch sehr leicht das Versagen des Sozialstaates an, weil die Umverteilung nicht stattfindet, aber wir sprechen selten über die Auswirkungen eines Phänomens, auf das wir kaum Einfluss nehmen können, nämlich die Globalisierung. Was meine ich damit und warum ist das der Elefant im Zimmer? Denn gerade wir sind ja Konsumenten, -ob wir nun links, rechts, alternativ, antisystemisch, konservativ sind- wir sind Konsumenten von Dienstleistungen und Wissenssystemen, die das absolute Ergebnis der Deregulierung des Arbeitsmarktes, der Schwächung aller traditioneller Konstanten des Sozialstaates und der Deterritorialisierung des Kapitals, des Staates, der Sozialabgaben sind. Sagen wir, ich steige in einen Ryan-Flug z.B. und ich mache für 40 Euro eine Reise und ich bin gegen das System ideologisch usw. Was bin ich dann? Jemand, der im Regen auf einem Motorrad herumfährt, der angeblich seinen Körper zum Gewerbe macht und Essen von jemandem austeilt, der so ist wie ich und dem man die Illusion vermittelt hat, dass er sein eigenes Menü zusammenstellt, indem er von irgendwoher für 4 Euro ein Croissant, für 9 Euro, zusammen in derselben Bestellung, Sushi aus einem anderen Laden und einen Cocktail aus einem dritten bestellt. Das schafft eine postkapitalistische Integration in jedem von uns, was auch eine totale Beschränkung ist. Wir werden nicht in der Lage sein, die Situation zu überblicken, zu verstehen, was passiert und ob es einen Sinn in sozialen Reaktionen und in all dem gibt, wenn wir nicht akzeptieren, dass all dies Flickschusterei und Versuche Europas und der europäischen Volkswirtschaften sind, ihre Sozialstaaten zu retten und auch jegliche soziale Fürsorge unter den Bedingungen der Globalisierung. Und wir müssen sagen, welche diese sind. Globalisierung ist nicht das Elend der Völker im Allgemeinen. Sie ist nicht die Unterdrückung der Armen durch die Reichen. Das kann in manchen Situationen der Fall sein. Meistens geht es um etwas anderes. Und zwar um die Verlagerung von Reichtum, wirtschaftlicher Macht, Produktion und nun auch Planung vom traditionellen Kapitalismus -aus Europa und Amerika- in andere Teile der Welt. Vier oder fünf Jahrhunderte lang, richtig? Seit den großen Entdeckungen des 15. Jahrhunderts bis 1989-1990 waren Europa und die Vereinigten Staaten führend auf dem Planeten. Sie produzieren, sie gestalten, sie konsumieren und sie sind erfolgreich. Und es ist nun zwanzig, fast dreißig Jahre her, dass diese Dominanz, die Macht und der Wohlstand beginnen zu schwinden. Die neue Armut in Deutschland ist der verzweifelte Versuch, irgendeine Art der Produktion in Europa zu bewahren. Auf dieser Ebene treten schreckliche Schwierigkeiten auf, da Europa oft glaubt, ohne die Produktion auskommen zu können und sie so immer weiter weg verlagert und sich einbildet, es könne nur die Planung übernehmen. Aber all dies ist Nebensache, falls wir nicht akzeptieren, dass es eine Realität gibt, die darin besteht, dass das Übel der Globalisierung diejenigen betrifft, die einst die führende Rolle auf dem Planeten besaßen, und die, die irgendwie einen Überschuss aus anderen herauspressten und dies nun nicht mehr tun können. Wir müssen es uns eingestehen. Nun, der zweite sehr wichtige Punkt, der meiner Meinung nach sowohl aus Julias Buch als auch aus anderen Erkenntnissen der Soziologie hervorgeht, ist das Gefühl der Unsicherheit. Die Kräfte des Kleinbürgertums und der Arbeiterklasse in Europa erleben nicht mehr so viel Armut und Elend. Durch diese billigen Dienstleistungen erleben sie immer noch einen gewissen Wohlstand, sie können sogar in den Urlaub fahren. Aber es sind bedrohte Annehmlichkeiten. Und das ist jetzt auch in Griechenland angekommen. Viele Teile der alten wohlhabenden Mittelschicht, die Träume hatten und so weiter, fühlen sich bedrängt und verunsichert. Noch eine letzte Sache, um abzuschließen. In Griechenland haben wir immer noch -und das ist ein großer Unterschied zu Deutschland- Netzwerke der Einkommens-Komplementarität, Landbesitz, viele Berufe gleichzeitig. Das gibt es immer noch, das funktioniert. Da diese Freiberufler mit jemandem verheiratet sind, der öffentlich versichert ist, da dies Leute sind, die kein hohes Risiko eingehen. Es gibt verschiedene Strukturen, die uns immer noch relativ wohlhabend sein lassen. Und da sich jetzt die Wirtschaft ein wenig erholt, werden diese gestärkt, sie funktionieren und sie werden gerettet. Aber ich würde sagen, dass für die Zukunft, da wir auch im Hinblick auf die Heinrich Böll Stiftung sprechen, die der Partei der Grünen nahe steht, die jetzt Regierungsverantwortung übernommen hat, ich würde sagen, dass für die Zukunft das, was eine progressive Orientierung irgendwie verdeutlichen sollte, die soziale Frage ist. Das heißt, die neue soziale Frage. Warum sage ich das? Es scheint offensichtlich, aber das ist es nicht . Im Moment fördern die liberalen, progressiven und linken Kräfte in Europa eine Kulturdebatte. Sie fördern die Gleichstellung der Identitäten, der neuen Identitäten, der Homosexuellen, der Queers, der Transsexuellen usw. Natürlich ist die Betonung des Rechtserwerbs und der Gleichstellung von Rechten für alle Lebensformen absolut angebracht und notwendig. Aber die Priorisierung dieser Fragen gegenüber der sozialen Frage, der Frage, wie wir auf Ebene unserer Individualität und unserer Erwartung an den Staat und den Kapitalismus leben, ist nicht produktiv. Was wir vor uns haben und weiterhin vor uns haben werden ist die soziale Frage. Das ist, was die untere Mittelschicht mit den Gelbwesten in Frankreich wütend gemacht hat, die, mein lieber Tasos, eine Steuer auf Flugreisen möchten, weil sie selbst nicht reisen können. Aber sie möchten, dass die Benzinsteuer gesenkt wird, denn Benzin ist ein Mittel für ihre Existenz. Das ist alles für den Moment. Εntschuldigen Sie, wenn ich ein wenig abgeschweift bin. Vielen Dank an Panagis für seinen Kommentar. Ich wollte auf Julia Friedichs zurückkommen. Panagis, zu Ihrer ersten Aussage möchte ich zwei Fragen stellen. Eine Sache betrifft das Nest, das Haus als Zentrum der Reproduktion der griechischen Mittelschicht. Während der Memorandum-Ära rief mich ein Beamter des deutschen Bundesfinanzministeriums an und zeigte mir eine Statistik der Europäischen Zentralbank, nach der wir in Griechenland im Durchschnitt reicher als ein deutscher Arbeitnehmer waren und wir wollten herausfinden, wie das möglich war. Es stellte sich heraus, dass alle Immobilienwerte auf dem Vermögen der Arbeitnehmer berechnet und auf deren Vermögen hochgerechnet worden waren. Das war allerdings korrekt, das was geschehen ist. Aber es ist nicht immer ein verfügbares Einkommen. Meine Frage ist also folgende: Diese Entwicklung mit dem Verkauf von Häusern als Vermögen mit der Zunahme der Nachfrage von Leuten, die von anderswo herkommen und mehr zahlen können, hat dazu geführt, dass in der Pandemie die Wohnungspreise schneller stiegen als zu Zeiten vor dem Lockdown. Genau. Kürzlich erfuhr ich, dass diese Maßnahme der Regierung zur Abschaffung der Steuer auf die vorweggenommene Erbfolge in eine Hilfe zum Erwerb von Immobilien für Kinder umgewandelt wurde, die bis dahin keine eigene Immobilie kaufen konnten. Ich möchte also fragen, inwieweit dieses Modell und das Baumodell der Antiparochi [Tausch von Grundstück gegen Neubauwohnung] immer noch in Griechenand funktionieren. Und zweitens: Vorgestern rief ich eine Leiterin der Intensivstation eines der Krankenhäuser von Patras an. Sie sagte mir, sie sei auf ihrer Station, aber in einem anderen Land. Ich frage, in welchem Land? Sie sagt, auf Zypern. Ich bekomme 6.000 Euro als erstes Gehalt. In der Pandemie haben 3.000 Arbeitskräfte das griechische Gesundheitswesen verlassen. Sie verlassen alle Systeme, das deutsche, das britische System. Die reicheren Systeme "plündern" die ärmeren Systeme. Ist das nicht für die Menschen eine Art Ausweg, nicht nur von zu Hause fortzulaufen, sondern sich auch einem Markt zuzuwenden, der größer als ihr nationaler Markt ist? Ja, natürlich. Das ist die Globalisierung. Das ist klar. Und eine kurze Antwort auf das, was Julia gesagt hat: Es stimmt nicht, dass es Märkte gibt, die geschützt werden können, Arbeitsmärkte. Es gab Berufe, die nicht im Wettbewerb standen, die aber durch die Masseneinwanderungswellen in den Wettbewerb gerieten. Wir mögen zwar für Migration sein, und das zu Recht, aber das bedeutet nicht, dass die Löhne nicht durch die Massenhaftezuwanderung in die europäischen Länder gedrückt wurden. Das kann jetzt für einfache Tätigkeiten der Fall sein, aber zukünftig kann es auch für die Musikschulen gelten, weil bereits ausgebildete Arbeitskräfte aus anderen Ländern kommen. Die europäischen Länder können gegenüber regionalen Mächten des normalen oder des parasitären Kapitalismus, wie in den Golfstaaten, oder des Finanzkapitalismus, wie zum Beispiel auf Zypern, ihre besten Führungskräfte verlieren. Die Frage des Immobilienmarktes ist sehr wichtig und die griechische Gesellschaft muss irgendwann einmal darüber sprechen. Es ist ein Versuch der Gesellschaft, sich an die Globalisierung anzupassen. Es ist der Versuch eines Teils der Mittelschicht, sich für eine Generation zu retten. Diejenigen, die zwei Immobilien haben, um es einfach auszudrücken, behalten eine, um darin zu leben und das ist ihre große Sicherheit. Das ist, was sie in der nächsten Krise vermutlich nicht arm werden lassen wird. Die zweite Immobilie finanziert ihre Reproduktion und den Zusammenhalt mit ihren Kindern oder ihren Wohlstand durch den Verkauf an jemanden, der mit Geld aus dem Ausland gekommen ist. Aber das hat kurze Beine. Es ist für eine bestimmte Generation. Danach gibt es kein Einkommen mehr. Da das Land kein hohes Einkommen produziert, gilt das für eine Generation. Wer hat nun das Nachsehen? Diejenigen, die nur ein Haus haben. Wer kein zweites zu verkaufen hat, dem bleibt nur das erste als Sicherheit. Und was passiert, wenn das alles eintritt? Ein Teil der Mittelschicht, der früher im Stadtzentrum wohnte oder behauptete, in der Stadt zu wohnen -vor allem junge Leute- kann dort nicht leben, weil die Wohnkosten im Stadtzentrum zu sehr steigen. Und was ist mit den Zentren der Städte? Museumsartiger Orte, Showbühnen für Kultur und Konsum von Instagram-Food mit einer oberflächlichen Gentrifizierung, wohin Leute aus den Vororten kommen, sich scharen, ihre Burger verzehren, Fotos machen und wieder gehen. Die Reichsten gehen in die besten Einkaufsstraßen und kehren in die besten Vorstädte zurück, die Ärmsten in die etwas heruntergekommenen Viertel, wo sie gerade noch eine Wohnung finden, wenn sie denn eine finden. Ein junger Mann heutzutage in Griechenland, der mit seiner Frau, mit ihrem Mann in einem Unternehmen arbeitet, mit einem Gehalt, das dem der Deutschen nahe kommt, der kein anderes Einkommen hat, kann nicht im Stadtzentrum wohnen. Ich meine nicht in einem teuren Viertel, wie Kolonaki in Athen, sondern in einem lebendigen Stadtviertel im Zentrum. Dafür gibt es nicht genug Geld. Und auf folgendem Punkt stimme ich mit Julia überein: -Aber in Griechenland betrifft das nicht die großen Massen, weil die großen Massen ihr Einkommen anderweitig aufstocken können- Wenn man nur von seinem Gehalt lebt, im privaten und im öffentlichen Sektor, kann man nicht leben. Man kann nicht leben. Und heutzutage ist es nicht mehr möglich, entweder von einem kleinen Einkommen hier und da zu leben -sozusagen das Leben eines Freiberuflers- oder von einem mittleren und geringeren Lohn im Privatsektor zu leben. Das hat nichts mit der Aufwertungswelle der letzten Monate zu tun, das steht fest. Das Problem mit der Multifunktionalität der Berufe in Griechenland ist nur, dass dies nicht für alle gilt. Denn viele Menschen haben dieses Gehalt als Grundlage und ergänzen es auf andere Weise. Beispielweise erhält ein Lehrer an einer Privatschule in Griechenland ein mittleres Gehalt und wenn das nicht ausreicht, hat er Möglichkeiten es aufzustocken. Entweder indem er selbst wieder als Nachhilfelehrer arbeitet oder durch andere Familieneinkünfte, z. B. ein paar Zimmer, die er im Sommer irgendwo vermietet, Ersparnisse der Familie oder eine Immobilie, die vermietet oder verkauft wird usw. Deshalb müssen wir all diese sehr bitteren Gefühle, die wir gegenüber der schwindenden Mittelschicht haben, die zu working class ohne Hoffnung wird, einerseits begrüßen und nicht die Identitätsfrage, sondern die soziale Frage in den Blick nehmen. Wir müssen aber auch den Mut haben zu begreifen, dass dies nicht alle betrifft und dass es viele Menschen gibt, die sich hinter einer Armutsrhetorik verstecken und denen es wahrscheinlich besser geht, als es scheint. Wir müssen zum Schluss kommen, wir haben unsere Zeit überschritten. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Ihnen nicht das Wort erteile. Sie können mit den beiden Autoren sprechen, wenn wir fertig sind und Sie können das Buch von Julia Friedrichs am Stand des Goethe-Instituts finden. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Vielen Dank.

Share your thoughts

Related Transcripts

🇬🇷 Athanasios Ghavelas Sets 100m T11 World Record! | Athletics | Tokyo 2020 Paralympic Games thumbnail
🇬🇷 Athanasios Ghavelas Sets 100m T11 World Record! | Athletics | Tokyo 2020 Paralympic Games

Category: Sports

They jump quickly and quickest of all was the world record holder ghavelas, who got away to an absolute flier. he's storming down the straight. athanasios ghavelas takes it. a new world record! well, ghavelas has raced away from everyone. he's taken a s6 of a 100th of a second. ananias shikongo of namibia,... Read more

Working Class - Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können - Lesung mit Julia Friedrichs thumbnail
Working Class - Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können - Lesung mit Julia Friedrichs

Category: News & Politics

[musik] wilfried ich freue mich dass sie sich die zeit genommen haben das wird uns heute digital austauschen über ihr werk und genau gleich auch schon alle die info bekommen dass die veranstaltung aufgezeichnet wird das heißt für alle die jetzt gerade nicht live dabei sein können gerne dann im nachhinein... Read more

2 Fragen an Julia Friedrichs - Autorin von "Working Class" thumbnail
2 Fragen an Julia Friedrichs - Autorin von "Working Class"

Category: Education

[musik] [applaus] ich glaube ist es einfach eine frage des respekts und des anstands dass jede arbeit die wir als gesellschaft nachfragen dass es für die mindest standards gibt und dazu gehört für mich ein anständiger lohn von dem man leben kann dazu gehört aber auch die sicherheit dass man weiß das... Read more

Working Class 📖 von Julia Friedrichs - Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können - Hörbuch thumbnail
Working Class 📖 von Julia Friedrichs - Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können - Hörbuch

Category: Education

[musik] working class von julia friedrichs in einer welt in der die soziale marktwirtschaft längst zur vergangenheit gehört durchzieht ein tiefgreifender riss unsere gesellschaft auf der einen seite stehen wohlhabende unternehmer während auf der anderen seite menschen trotz harter vollzeitarbeit schwierigkeiten... Read more

Paul Robeson | Song of Freedom (1936) | Drama, Musical | Colorized Movie, with subtitles thumbnail
Paul Robeson | Song of Freedom (1936) | Drama, Musical | Colorized Movie, with subtitles

Category: Film & Animation

Full colorized movie 👉 select your preferred language subtitles in video settings ⚙️ introduction - so, you would be king of all us. you would take zinga's throne. all right, you shall be king, for one minute before you die. - please, please! - what do you want? what's that? pyrie, pyrie, pyrie, _ what's... Read more

Working Class. Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können | Julia Friedrichs | Buchessenz thumbnail
Working Class. Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können | Julia Friedrichs | Buchessenz

Category: News & Politics

Einleitung eine buch essenz der friedrich-ebert-stiftung working class warum wir arbeit brauchen von der wir leben können von julia friedrichs erschienen 2021 im berlin verlag berlin münchen kurz gefasst und eingeordnet von michael rocker buch essence kernaussagen bereichert mit mannigfaltigen forschungs... Read more

SPIDER MAN 4 | Abbiamo il regista! thumbnail
SPIDER MAN 4 | Abbiamo il regista!

Category: Entertainment

Salve community e bentornati nell le fevers sì c'è qualche cambiamento in corso l'avrete capito sì tra trasferimenti e robe varie questa non è nemmeno la sistemazione definitiva insomma penso che il resto del mese sia ancora bello burrascoso in ogni caso l'hollywood reporter lancia la bomba ci mette... Read more

Celtic & Ireland Legend Pat Bonner joins the Podcast for a special episode | Celtic View Podcast thumbnail
Celtic & Ireland Legend Pat Bonner joins the Podcast for a special episode | Celtic View Podcast

Category: Sports

Foreign [music] welcome to this special edition of our podcast i'm delighted to be joined here at celtic park by not only a legend of celtic but also a legend of ireland pop boner only one of seven celtic players to make over seven 600 appearances for the club 641 80 caps for ireland and it's just kind... Read more

Cam Newton’s BOSS Micd Up Moment Against Clay Matthews and Packers 😎 thumbnail
Cam Newton’s BOSS Micd Up Moment Against Clay Matthews and Packers 😎

Category: Sports

[applause] watch that's go watch [applause] this newton drops straight back goes a crossing route maccaffrey touchdown that's big time you been watching huh yeah watch this Read more

Réponse au Neo-Colonialiste Kamel Daoud: Nos martyrs (chouhada,الشهدا) ne sont PAS un scandale ! thumbnail
Réponse au Neo-Colonialiste Kamel Daoud: Nos martyrs (chouhada,الشهدا) ne sont PAS un scandale !

Category: Nonprofits & Activism

Que dès qu'on lance le sujet du proche-orient  c'est troublant on peut compter jusqu'à 30   secondes jusqu'à ce que surgisse le point godwin  c'estd au choix un vocabulaire emprunté hitler la   nazification les ghetos les camp de concentration  c'est troublant parce que bien évidemment que   dernière... Read more

Carry The G Radio: Way too early game-by-game predictions for the 2024 Packers thumbnail
Carry The G Radio: Way too early game-by-game predictions for the 2024 Packers

Category: Sports

Ladies and gentlemen boys and girls it's the return of carri the g radio the podcast with aaron negler and billy schmid of 97.3 the game the packers radio network i will never ever stop saying that billy like it's shameless the association is just amazing to me like i can't believe it it's one of the... Read more

LIV Golf Announces Four Global Events To Kick Off 2025 thumbnail
LIV Golf Announces Four Global Events To Kick Off 2025

Category: Sports

Here we go it's time the live golf 2025 season is here are you ready let's go come on it's global the greatest cities on the planet to theight of theing home [music] incred genius the weight is over 2025 is here Read more