Ausnahmeregelung beim Mindestlohn für Erntehelfer debattiert

Published: Jun 26, 2024 Duration: 00:51:50 Category: News & Politics

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Der Fraktion der AfD mit dem Titel „Unsere Bauern retten - Ausnahmeregelung beim gesetzlichen Mindestlohn für ausländische Erntehelfer bei heimischem Obst-, Gemüse-, Wein- und Hopfenanbau einführen“. Für die Aussprache ist eine Dauer von 39 Minuten vorgesehen. Bitte wechseln Sie die Plätze, und zwar fix wie die Waldfee. Vielen Dank. Und ich gebe das Wort Peter Felser für die AfD. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Gäste! Vorgestern, am Montag, war es 500 Jahre her, dass die Bauernaufstände in Deutschland begonnen haben. Heute ist es fünf oder sechs Monate her, dass sich in Deutschland friedlich, demokratisch, aber mit Vehemenz die Bauern auf der Straße zu Wort gemeldet haben. Das war für unsere Verhältnisse einmalig. Das war mutig. Die Landwirte in Polen, Dänemark und Frankreich, alle sind sie ebenfalls gegen die komplett verfehlte Agrarpolitik auf die Straße gegangen, und das war gut so. Liebe Kollegen, es ist eine Schande, dass zwar viel geredet wurde über die Not der Bauern, dass es aber im Kern überhaupt kein Entgegenkommen gegeben hat. Nichts, Nullkommanichts hat sich für unsere Landwirte geändert. Das ist die unerträgliche Politik dieser Ampel. Heute haben Sie die Möglichkeit, ganz konkret, schnell und unbürokratisch Hilfe für die Bauern zu bringen. Mit unserem Antrag unterstützen wir vor allem die Betriebe mit Sonderkulturen. Die Produktion von Obst, Gemüse, Wein oder Hopfen ist immens arbeitsintensiv - das wissen Sie -: bis zu 5 000 Arbeitsstunden pro Hektar und mehr. Über die Hälfte der Produktionskosten entfallen auf Personalkosten. Dieser enorme Aufwand ist nur durch die fleißigen Hände zahlreicher Saisonarbeitskräfte leistbar. Dafür möchte ich an dieser Stelle im Namen der Bauern Danke sagen. Aber wie kann das sein: Wir hören immer wieder, wie segensreich die EU für unsere Betriebe sein soll. Gleichzeitig haben wir völlig unterschiedliche Bedingungen. Ein Obstbauer bei mir im Allgäu zahlt den Saisonarbeitern einen Mindestlohn von über 12 Euro, spanische Bauern zahlen gerade mal die Hälfte, italienische Betriebe kennen gar keinen Mindestlohn. Wie soll das funktionieren? Das ist dermaßen wettbewerbsverzerrend. Das kann nicht funktionieren. Deswegen hören diese Bauern auf; sie müssen aufhören. Ich war vor Ort bei den Obstbauern am Bodensee. Es wird einfach nicht mehr investiert. Es bleibt kein Geld übrig für Investitionen. Das ist ein schleichender Prozess. Mir hat man gesagt: In spätestens acht Jahren ist dort Schluss. Aber, liebe Kollegen, jetzt, heute können wir die Hofschließungen noch stoppen. Unser Antrag ist nicht nur eine Soforthilfe für unsere Bauern. Unser Antrag ist auch strategisch so wichtig. Wir müssen doch unseren Selbstversorgungsgrad bei Obst und Gemüse nicht nur auf dem niedrigen Niveau von 25 bis 30 Prozent halten, sondern müssen ihn zukünftig ausbauen. Haben Sie denn aus dem Zusammenbruch der Lieferketten bei Corona gar nichts gelernt? Haben Sie nichts verstanden, wenn in unserer unmittelbaren Nachbarschaft in Europa ein Krieg tobt? Mit unserem Antrag werden die Weichen dafür gestellt, dass unsere Landwirte eine Zukunft haben, dass nicht noch mehr Betriebe mit Sonderkulturen aufhören müssen. Liebe Kollegen von der Union, ducken Sie sich heute bitte nicht wieder weg! Zeigen Sie Verantwortung! Unterstützen Sie die Bauern mit diesem Antrag! Danke schön. (Rednerwechsel) Dr. Daniela De Ridder hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Statt Polemik doch lieber ein paar Fakten: Im Jahr 2023 waren in Deutschland 876 000 Arbeitskräfte in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau beschäftigt. Von diesen Beschäftigten waren 243 000 Saisonarbeitskräfte; das ist rund ein Drittel. Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter sind tatsächlich nur für einen begrenzten Zeitraum tätig. Ihre Arbeit wird nicht das ganze Jahr über ausgeübt und hat daher saisonalen Charakter. Diese Saisonalität hängt entweder vom Wetter oder vom Kaufverhalten ab. Ganz simpel gesagt: Im Winter wird kein Spargel gestochen und im Sommer kein Silvesterfeuerwerk verkauft. In Deutschland kommen Saisonarbeiter/-innen überwiegend aus Polen, Rumänien, Bulgarien oder Ungarn. Sie nutzen die Freizügigkeit innerhalb der EU. Die von Saisonarbeitskräften geleistete Arbeit ist in unseren grünen Betrieben unabdingbar, wenn wir die Ernährung unserer Bevölkerung sicherstellen wollen. Dabei handelt es sich häufig um harte körperliche Arbeit. Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau gleichermaßen, für ausländische wie auch für inländische Beschäftigte. Aktuell - für die, die es nicht wissen - beträgt dieser Mindestlohn 12,41 Euro. Ab 1. Januar des kommenden Jahres wird er auf 12,82 Euro steigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Saisonarbeitskräfte sind nicht zu beneiden; denn Saisonarbeit findet nicht selten unter prekären Bedingungen statt. Hierzu gehören insbesondere extrem kurze Kündigungsfristen, eine mögliche Ausdehnung der Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden täglich - das ist wirklich bitter -, hohe Unterbringungskosten, die oft vom Lohn abgezogen werden, Beschäftigung ohne langfristige soziale Absicherung, Bezahlung oft erst am Ende der Saison und oft die faktische Unterschreitung des Mindestlohns. Das ist nicht gut, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das macht die Gewerkschaft IG BAU deutlich, die dankenswerterweise dieses Thema immer wieder auf die Agenda setzt. Es ist gut, dass die Minister Hubertus Heil und Cem Özdemir bei ihren jeweiligen Ministerien zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit Vermittlungsabsprachen mit Georgien und der Republik Moldau getroffen haben, um die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeitskräfte zu verbessern. Ebenso wichtig ist es, dass die IG BAU gleichzeitig die transnationale Zusammenarbeit fördert und mit den jeweiligen Gewerkschaften in Polen, Bulgarien und Rumänien Kooperationsabkommen für die Saisonarbeit abgeschlossen hat. Mit ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, strebt die AfD nun die drastische Reduktion oder gar die De-facto-Abschaffung des Mindestlohns für ausländische - das betont sie ausdrücklich - Saisonarbeiterinnen und -arbeiter beim heimischen Obst-, Gemüse-, Wein- und Hopfenanbau an. Sie will mit ihrem Antrag eine neue Form der Tagelöhnerschaft kreieren; denn eine Absenkung des Mindestlohnes würde den ausländischen Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern, so die AfD wörtlich, „nicht schaden, da diese ja nach wie vor frei darüber entscheiden können, ob sie und zu welchem Lohn sie eine Arbeitsstelle annehmen“ wollen. Auch seien sie frei, jederzeit diese Löhne zu verhandeln. Ein klein wenig zynisch sind Sie schon, nicht wahr? Der AfD-Antrag ist für beide Seiten schädlich. Er ist schädlich für die ausländischen Saisonarbeiterinnen und -arbeiter, denen Sie aufbürden, so wie in der Großen Depression in den USA der 1930er-Jahre am Straßenrand stehend zu Dumpingpreisen ihre Arbeitskraft anzubieten. Und er ist schädlich für unsere Landwirte, weil sie mit jedem Einzelnen und vermutlich sogar täglich neu den Lohn verhandeln müssen. Glauben Sie also wirklich, dies dient der Erleichterung unserer Obst- und Gemüsebauern oder unserer Winzer? Ich frage mich, in welcher Realität Sie leben. Ihre Vorschläge, mehr noch Ihre Haltung und Ihr Menschenbild sind so weit weg von unserer landwirtschaftlichen Praxis, dass ich glatt versucht bin, Ihnen vorzuschlagen: Machen Sie doch mal ein Praktikum in einem landwirtschaftlichen Betrieb! Gehen Sie in den Gartenbau! Arbeiten Sie bei einem Winzer! Sie werden sehen: Das hat mit der Realität, die Sie dort vorfinden, nichts zu tun. (Rednerwechsel) Möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen, Frau Kollegin? Ihre Forderungen erinnern an vormoderne Zeiten und vernachlässigen zugleich den europäischen Binnenmarkt. Aber Sie wollen ja kein Europa. Das machen Sie deutlich. Vielen Dank, Frau Präsidentin. (Rednerwechsel) Wilfried Oellers hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation der Landwirtschaft ist bedrohlich, so wie derzeit die der gesamten Wirtschaft. Die Landwirtschaft wird in dieser Legislaturperiode von der Ampel jedoch ganz besonders belastet. Da sind zunächst die allgemeinen Belastungen für die gesamte Wirtschaft zu nennen, wie zum Beispiel die höheren Energiekosten, Bürokratie und Dokumentation. Aber bei der Landwirtschaft hat sich die Ampel besondere Belastungen ausgedacht. Das verwundert umso mehr, als die FDP sich in der letzten Legislaturperiode noch als Wächterin der Landwirtschaft dargestellt hat. Jetzt weiß sie davon nichts mehr und lässt SPD und Grüne mit ihrer bauernfeindlichen Politik frei gewähren. Unter der Ampelregierung geht es den Bauern um ein Vielfaches schlechter als unter allen Vorgängerregierungen der vorherigen 16 Jahre. Bei diesen zusätzlichen Belastungen ist insbesondere das Thema Agrardiesel zu nennen. Wir in der Union haben stets erfolgreich dafür gekämpft, dass diese steuerliche Vergünstigung nicht abgeschafft wird. Die SPD wollte das immer schon. Nun haben SPD und Grüne in der FDP einen verlässlichen Partner gefunden, diese für die Konkurrenzfähigkeit der Landwirtschaft so wichtige Entlastung abzuschaffen. Dann wird groß angekündigt, dass für die Landwirtschaft ein steuerliches Entlastungspaket geschnürt wird. Und was passiert bis heute? Nichts. (Rednerwechsel) Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen? (Rednerwechsel) Nein. - Im Bereich der baulichen Vorgaben, der Ställe, erlässt die Ampel immer wieder schärfere Regelungen. Das gibt keine Planungssicherheit und Verlässlichkeit bei derart großen Investitionen. Wir haben im Bundestag beispielsweise für die Beibehaltung der Steuerbefreiung beim Agrardiesel, spürbare Entlastungen bei der Dokumentation, aber auch für langfristige Planungssicherheit für Tierhalter und Stallumbauten geworben und dies gefordert, aber vergeblich. Die Ampel hat alle unsere Vorschläge abgelehnt. Eine weitere Herausforderung für die Landwirtschaft stellt natürlich auch der Mindestlohn dar. Die Tätigkeiten im Bereich der Erntehelfer bedeuten körperlich harte Arbeit, benötigen aber keine besonderen erlernten Qualifikationen. Daher sind die Löhne der Erntehelfer auch eher im unteren Bereich anzusiedeln. Da aber gerade die Erntetätigkeit sehr personalintensiv ist, schlägt ein höherer Mindestlohn gleich stark zu Buche. Natürlich sollen die Erntehelfer ordentlich entlohnt werden; da möchte ich ausdrücklich nicht missverstanden werden. Aber auf dem Markt muss sich ein entsprechender Preis bzw. Lohn auch erwirtschaften lassen können. Da ist es wichtig, dass bei der Entwicklung des Mindestlohns die Situation der jeweiligen Branchen Berücksichtigung findet. Daher ist die Situation in der Landwirtschaft das beste Beispiel dafür, warum ein Mindestlohn nicht politisch bestimmt werden darf. Aber diesen Weg haben SPD und Grüne mit freundlicher Unterstützung der FDP verlassen. Ich kann nur dringend dazu raten, wieder dahin zurückzukommen, dass die Mindestlohnkommission in ihrer Arbeit nicht behindert wird. Der Mindestlohn muss unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten weiterentwickelt werden. Gerade im Bereich der Landwirtschaft und dort im Erntehelferbereich ist die Weiterentwicklung des Mindestlohns sehr sensibel. Besonders der hohe Personaleinsatz erschwert es, der Konkurrenz aus dem Ausland standzuhalten. Wir haben nichts davon, wenn die Betriebe in Deutschland aufgeben müssen, weil sie nicht konkurrenzfähig sind. Wenn in anderen Ländern Europas die Löhne niedriger sind, dort produziert wird und die Ware in Deutschland günstiger angeboten werden kann, sollte jedem schnell klar werden, dass die Betriebe in Deutschland ab einem bestimmten Unterschied der Löhne nicht mehr konkurrenzfähig sind. Dann geht die Produktion eben ins Ausland und aus Deutschland weg. Nicht selten wird dann vorgetragen, man muss den Maschineneinsatz erhöhen, damit diese Arbeiten aufgefangen werden können. Aber gerade bei der Ernte von Gemüse, Erdbeeren, Spargel usw. Ist ein maschineller Einsatz einfach nicht möglich. Und wenn die Produktion erst einmal eingestellt wird oder Deutschland verlässt, verlässt auch die Wertschöpfung unser Land. Dass sich das auf die Steuereinnahmen nicht günstig auswirkt, brauche ich hier, glaube ich, keinem zu erklären. Vor dem Hintergrund der Situation, in der wir uns wegen des Ukrainekriegs und der Energieversorgung befinden, sollte uns auch bewusst sein, dass wir gerade in der Ernährungsproduktion Selbstversorger bleiben müssen und jeden Grad von Selbstversorgung ausnutzen müssen, um diese Selbstversorgung in unserem Land hochzuhalten. Deswegen kann ich nur appellieren: Hände weg vom politischen Mindestlohn! (Rednerwechsel) Das Wort hat Beate Müller-Gemmeke für Bündnis 90/Die Grünen. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen und Gruppen! Wenn es sein muss, dann sage ich es immer und immer wieder: Der Mindestlohn ist die unterste Haltelinie. Er ist laut Definition der niedrigste gesetzlich erlaubte Lohn. Darunter gibt es nichts; denn jegliche Arbeit hat ihren Wert. Auch Erntearbeit muss ordentlich bezahlt werden. Das gilt definitiv auch für Menschen aus anderen Ländern. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Dann gibt es auch noch den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es darf also niemand einfach so, ohne Grund schlechter bezahlt werden. Auch das EU-Recht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit verbietet, dass EU-Arbeitnehmer/-innen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit schlechtergestellt werden. Und das ist richtig. Denn warum sollen ausländische Saisonarbeitskräfte schlechter bezahlt werden? Ist ihre Arbeit weniger wert? Sind sie weniger produktiv, oder sind sie gar Beschäftigte zweiter Klasse? Natürlich nicht. Das, was Sie, die AfD, heute hier fordern, ist nichts anderes als Diskriminierung. Und das geht nicht. Das können Sie, die AfD, aber natürlich nicht nachvollziehen; denn Diskriminierung ist ja bei Ihnen Programm. Das ist hier im Hohen Haus immer wieder nur schwer zu ertragen. Zuwanderung will die AfD verhindern, billige Saisonarbeitskräfte aber sollen kommen, natürlich nur kurzfristig, schlecht bezahlt und sozial nicht abgesichert. Die Frage, wie das gehen soll, dass die Saisonarbeitskräfte trotzdem noch nach Deutschland kommen - wir brauchen sie ja -, obwohl sie in anderen Ländern, in anderen Branchen mehr verdienen würden, interessiert die AfD natürlich kein bisschen. Das zeigt: AfD-Politik muss nicht logisch und auch nicht vorausschauend sein. Hauptsache, es trifft die Menschen aus dem Ausland. So eine Politik ist billig. Wir jedenfalls wollen gute Arbeitsbedingungen für Saisonarbeitskräfte. Deshalb haben wir ja gerade erst das ILO-Übereinkommen 184 ratifiziert, das den Beschäftigten in der Landwirtschaft weltweit grundlegende Rechte einräumt. Dabei geht es beispielsweise um die Rechte von jungen Menschen. Es geht darum, Arbeitszeiten zu begrenzen, vor Chemikalien zu schützen und die Menschen bei Arbeitsunfällen abzusichern. Und dazu gehört natürlich auch - ganz zentral - eine gerechte und faire Entlohnung. Als 2014 der Mindestlohn eingeführt wurde, hat es der DGB wunderbar auf den Punkt gebracht, und zwar mit den Worten: „Würde kennt keine Ausnahmen!“ Das gilt noch immer, und das passt heute, in dieser Debatte, wieder. Vielen Dank. (Rednerwechsel) Das Wort hat Carl-Julius Cronenberg für die FDP-Fraktion. (Rednerwechsel) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anträge der AfD-Fraktion sind meist ohne Substanz und daher kaum eine Bereicherung der parlamentarischen Debatten. Aber sie bieten mitunter den Vorteil, dass man erkennt, wes Geistes Kind Sie sind und wie widersprüchlich Ihre Positionen sind, so auch der vorliegende Antrag. Deshalb eines vorab: Wenn die AfD glaubt, unsere Bauern könnten den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Betriebe auf das Unterlaufen von Mindeststandards bei Lohn- oder Arbeitsbedingungen gründen, dann ist sie aber mächtig auf dem Holzweg. Solche kruden Rettungsfantasien der AfD braucht kein Mensch. Im Übrigen steht im AfD-Grundsatzprogramm, der gesetzliche Mindestlohn schütze Niedriglohnempfänger vor Lohndruck durch Migration. Oha! Dass ausländische Arbeitskräfte in der Vorstellungswelt der AfD minderwertig sein mögen und deshalb schlechter bezahlt werden dürfen, war erwartbar. Aber wie passt das, also Mindestlohn als Schutz vor Lohndruck durch Migration, bitte schön zum vorliegenden Antrag? Sie wollen also lieber einen Ausländer richtig schlecht bezahlen als Studenten, Rentner oder Bürgergeldempfänger zum Mindestlohn, also ausländische und inländische Beschäftigte aufgrund des Wohnorts unterschiedlich bezahlen? Was ist das für ein Menschenbild? Vor diesen Karren lassen sich unsere Landwirte jedenfalls nicht spannen. Interessant war auch die Mindestlohndebatte im letzten November. Da wird von der AfD in der gleichen Debatte - in der gleichen Debatte! - Erst die Erhöhung des Mindestlohns durch Verzicht auf Anrechnung von Zulagen gefordert, dann der Antrag auf 14 Euro Mindestlohn abgelehnt und schließlich festgestellt, dass eine starke Mindestlohnerhöhung den Mittelstand überfordert. Ja, was denn nun? Sind Sie für eine Erhöhung, gegen eine Erhöhung oder für eine Erhöhung, aber nicht für alle? Ihre Mindestlohnkakophonie offenbart in Wahrheit eines: Der AfD ist keine These zu steil, um Beschäftigte und Betriebe zu verunsichern. Das schadet diesem Land, das die AfD angeblich retten will. Verlassen wir die steilen Thesen der AfD und blicken auf die Betriebe mit Sonderkulturen! Bei Obst sind die Ernten seit fünf Jahren auf gleichem Niveau und die Marktanteile der inländischen Erzeuger stabil. Beim Spargel ist der Absatz in der Saison 2022 um 8 Prozent gesunken - in der Spargelsaison, also vor der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Wein leidet unter krassem Überangebot; gleichzeitig sinkt der Konsum. Niedrige Gewinne sind ungünstiger Marktentwicklung geschuldet. Der Hopfenanbau leidet unter zwei historisch schlechten Ernten - wohl kaum wegen des Mindestlohns. Ja, es gibt Betriebe, die die kräftige Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 vor große Herausforderungen gestellt hat. Aber solche Betriebe gibt es auch in der Gastronomie oder im Reinigungsgewerbe; auch da werden ausländische Saisonkräfte eingesetzt. Wer bekommt jetzt Ausnahmen, wer nicht? Der AfD-Ansatz, am Mindestlohn herumzufuhrwerken, taugt nicht. Was landwirtschaftlichen Betrieben, und zwar allen - nicht nur denen mit Sonderkulturen -, wirklich hilft, ist Entlastung von Bürokratie und zu hohen Steuern. Deshalb hat die Koalition diese Woche ein Agrarpaket mit weitreichenden Entlastungen auf den Weg gebracht: Erstens. Pflicht zur Stilllegung von 4 Prozent der Ackerfläche: wird abgeschafft. Zweitens. Genehmigungsverfahren bei Grünlandumwandlung: wird abgeschafft. Drittens. Steuersenkung durch Gewinnglättung: wird umgesetzt. Schwankende Ernten führen nicht mehr zu überhöhten Steuern. Auch davor haben wir schon viel für die Landwirte gemacht, lieber Kollege Oellers. Wir haben beispielsweise die Buchführungspflicht für kleinere Betriebe abgeschafft. Wir haben das Glyphosatverbot zurückgenommen. Und wir haben das Baurecht bei Stallumbauten entschlackt und Hürden beim Ausbau der Erneuerbaren gesenkt; ich will gar nicht davon anfangen. Alles das sind die Maßnahmen, die wirklich helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wir sind noch lange nicht fertig damit. Wer hingegen die Debatte um die richtigen Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft auf Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn verengt, der hat doch ganz offensichtlich die wahre Dimension der Herausforderungen in der Landwirtschaft noch gar nicht begriffen. Strukturwandel ist anstrengend. Aber ich weiß aus meiner Heimat im Sauerland, dass die Landwirte dazu bereit sind - unter einer Bedingung: dass Politik den Bäuerinnen und Bauern das Freiheitsvertrauen entgegenbringt, das sie verdienen. Was gut für Vieh und Äcker ist, wissen die Landwirte selbst und Brüsseler Bürokraten nicht. (Rednerwechsel) Frank Rinck hat das Wort für die AfD. (Rednerwechsel) Danke. - Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Liebe Mitbürger! Seit Monaten hört man vom Bauernverband, der Landjugend und anderen landwirtschaftlichen Verbänden: Der Mindestlohn richtet unsere landwirtschaftlichen Betriebe zugrunde. - Frau De Ridder, warten Sie die Zeit ab! Ich komme gleich zu Ihnen; keine Sorge. - Importierte Produkte profitieren von niedrigen Produktionskosten, beispielsweise in Spanien, wo dieselben Erntehelfer dasselbe Obst und dasselbe Gemüse pflücken und ernten. Hier bekommen sie dafür 12,41 Euro und dort 6,50 Euro. Meine Damen und Herren, die Annahme, dass wir 12,41 Euro bezahlen müssen, ist völliger Quatsch. Das kann ich Ihnen auch ganz einfach darlegen: Der Mindestlohn - jetzt sollten Sie von der FDP noch mal zuhören - soll eine Existenz jenseits der Armutsgrenze in Deutschland sichern. Aber, meine Damen und Herren, diese Saisonarbeiter, die für acht bis zehn Wochen hierherkommen, haben ihren Lebensmittelpunkt nicht in Deutschland. Ich kann Ihnen eines sagen: Ich habe über zehn Jahre in einem solchen Betrieb gearbeitet, in einem Kartoffelanbaubetrieb. Diese Arbeiter kommen für 8 Euro die Stunde, und wenn sie nach acht bis zehn Wochen wieder fahren, dann haben diese Menschen in diesen acht bis zehn Wochen hier so viel verdient, wie sie sonst in ihrem Land in einem halben Jahr verdienen. (Rednerwechsel) Möchten Sie eine Zwischenfrage aus der SPD zulassen? (Rednerwechsel) Aber natürlich. Meine Redezeit ist ja sonst gleich um. (Rednerwechsel) Danke schön, sehr geehrter Herr Kollege, dass Sie meine Frage zugelassen haben. - Letzte Woche ist in Italien - in Ihrem Beispiel war es jetzt Spanien - ein Erntehelfer aus Indien, der 4 Euro die Stunde dort verdient und auch keine Krankenversicherung hat, in eine Erntemaschine geraten. Ihm wurden die Beine abgequetscht, er hat seinen Arm verloren. In einer Obstkiste hat der Arbeitgeber den Arm deponiert. Er hat ihn auf einem Lastwagen zu seiner Behausung gefahren. Der Mann ist dort verstorben. Ihm wurde Erste Hilfe verwehrt. Die rechtspopulistische Regierung und der Arbeitsminister haben das „Barbarei“ genannt. Die Gewerkschaften vor Ort nennen das „Sklaverei“. Solche Bedingungen sind katastrophal. Und wenn Sie solche Anträge stellen, dann führt das doch dorthin. Jetzt frage ich Sie ganz einfach: Was sagen Sie zu so einer Situation, zu so einer Unmenschlichkeit? Wollen Sie wirklich so einen Weg einschlagen? Zuerst einmal muss ich dazu sagen, dass das sehr bedauerlich ist. Dann kann ich Ihnen aber auch sagen: So was ist doch in Deutschland überhaupt nicht möglich. In Deutschland regeln solche Berufs- oder Arbeitsunfälle die Berufsgenossenschaften. Das hat doch wenig damit zu tun, ob jemand für Mindestlohn oder für einen geringeren Lohn arbeitet, oder mit sonst irgendwas. Also, Ihre Frage ist eigentlich völliger Quatsch. Ich weiß jetzt nicht genau, was dieses Unglück mit den Arbeitsbedingungen in Deutschland zu tun hat; denn die Arbeitsbedingungen in Deutschland - ich denke, da stimmen Sie mir zu - sind besser als in den meisten anderen Ländern dieser Welt. In diesem Antrag geht es nicht darum, die Arbeitsbedingungen für die Leute schlechter zu machen. Es geht darum, unseren Landwirten die Möglichkeit zu geben, auch noch in 10 oder 20 Jahren weiter Obst und Gemüse in unserem Land zu produzieren. Meine Damen und Herren, wir haben es dargelegt - Sie von der CDU/CSU haben es auch gehört, auch wenn Sie nicht zustimmen werden, was ja ganz klar ist, weil Sie Ihre komische Brandmauer haben -: Dieser Antrag ist richtig. Dieser Antrag ist zeitgemäß. Wir müssen den Mindestlohn in Bereichen wie der Landwirtschaft, wo es um acht Wochen Arbeit geht, überdenken. Ich hoffe, dass wir dann auch unsere Kulturlandschaft weiter erhalten können. Ihre Redezeit ist um. Frau Präsidentin, letzter Satz. - Denn das, was Sie hier tun, ist die nachhaltige Zerstörung unserer Kulturlandschaft und unserer deutschen Landwirtschaft. Vielen Dank. (Rednerwechsel) Bernd Rützel hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir diskutieren in dieser Debatte über einen Antrag der AfD, die in diesem Antrag fordert, für die ausländischen Erntehelfer den Mindestlohn abzuschaffen. Alle die, die in der Landwirtschaft tätig sind, wissen, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleicht. Wenn ich mir den Mindestlohn in Deutschland oder in Spanien oder sonst wo angucke, ist klar: Wir dürfen nicht nur die Eurobeträge vergleichen, sondern wir müssen den Durchschnitt vergleichen; denn das ist vergleichbar. In Deutschland haben wir einen Mindestlohn, der 53 Prozent des Medians beträgt. In Luxemburg ist der Mindestlohn höher. In Frankreich ist der Mindestlohn höher. In Polen ist der Mindestlohn höher. In Rumänien ist der Mindestlohn höher. In Slowenien ist der Mindestlohn höher. Und in Portugal ist der Mindestlohn höher. Spanien ist ungefähr vergleichbar; dort liegt er bei 50 Prozent des Medians. Und selbst in Ungarn liegt er bei 48 Prozent. In Griechenland liegt er - ähnlich wie bei uns - bei 50,6 Prozent. - Die Zahlen habe nicht ich erfunden; das sind statistische Werte. Zu sagen, dass der Mindestlohn zu hoch ist, ist also nicht akzeptabel. Hinzu kommt, dass wir nicht in der Lage sind, ohne ausländische Kräfte unser Obst von den Feldern zu holen. Wer Obst aus Deutschland möchte, ist auf Ausländer, die hier arbeiten, angewiesen. Diese Menschen arbeiten, beginnend mit der Spargelzeit, den ganzen Sommer über - auf Knien, in gebückter Haltung, im Liegen; denn die Gurken waren nicht immer im Glas; die müssen gepflückt werden -, und wenn der Wein bei uns in Franken in den Fässern lagert, dann gehen diese Menschen nach Nürnberg und machen Lebkuchen. Das heißt, sie sind wieder in der Saisonbranche tätig. Von daher sind wir darauf angewiesen, dass Menschen zu uns kommen und uns helfen. Aber wir sehen beide: Wir sehen die Menschen, die eine würdige Arbeit verrichten - deswegen ist der Mindestlohn eine absolute Lohnuntergrenze, eine Anstandsgrenze; darunter geht nichts, egal wer was macht -, aber wir sehen auch die Bäuerinnen und Bauern. Carl-Julius Cronenberg hat gerade viel darüber gesagt, wie wir helfen. Wir haben mit dem Mindestlohn die sozialversicherungsfreie kurzfristige Beschäftigung von 50 auf 70 Arbeitstage ausgeweitet. Wir haben genau beschrieben, dass Kost und Logie vom Mindestlohn abgezogen werden kann, wenn die Standards eingehalten sind, und der Bund - das wird immer wieder vergessen - zahlt beträchtliche Zuschüsse in die Alterssicherung der Landwirte; ungefähr 80 Prozent bezahlt der Bund dazu. Das ist auch richtig und notwendig, und das muss an dieser Stelle auch mal gesagt werden. Die Redezeit ist um, Herr Kollege. Wir stehen an der Seite aller: vom Hofbesitzer bis zur Saisonarbeitskraft, die auf unseren Feldern tätig ist. Vielen Dank. (Rednerwechsel) Ich komme kurz zurück zur heutigen Aussprache in der Aktuellen Stunde und zu den wiederholten Zwischenrufen der Abgeordneten von Storch während der Rede der Abgeordneten Schönberger. Mit den Zwischenrufen hat sich die Abgeordnete von Storch erneut herabwürdigend und respektlos über die Abgeordnete Ganserer geäußert. Dies geschah, obwohl sie in dieser Angelegenheit bereits mehrfach ermahnt wurde und Ordnungsrufe erhalten hat. Sie hat damit bewusst und in einem nicht nur geringfügigen Maße gegen die parlamentarische Ordnung und Würde verstoßen. Ich setze namens und im Auftrag von meiner Kollegin Vizepräsidentin Pau gegen die Abgeordnete von Storch daher ein Ordnungsgeld fest. Ich werde mir das Protokoll nachher noch mal anschauen und prüfen, was an Zwischenrufen aus der AfD-Fraktion zu dieser Maßnahme der Vizepräsidentin gekommen ist. Gegebenenfalls werde ich dann entsprechende Maßnahmen einleiten. Ich komme zurück zu dem Tagesordnungspunkt 6 und gebe Axel Knoerig das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben 2015 in der unionsgeführten Bundesregierung den Mindestlohn eingeführt. Damals haben wir auch darüber diskutiert, ob man Saisonarbeiter ausnimmt. Letztlich stand für uns fest: Mit zu vielen Ausnahmen kommen wir vom Regen in die Traufe. Der Mindestlohn muss so universell wie möglich sein. Außerdem haben wir festgelegt: Die Höhe des Mindestlohns bestimmen nicht Politiker, sondern die Tarifparteien in der Mindestlohnkommission. Und in dieser Kommission wird auch abgewogen, was ein höherer Mindestlohn für den Preis von Spargel und Erdbeeren bedeutet. Der Staat aber soll sich aus der Lohnfindung heraushalten. Damals hat die SPD diesem Grundsatz zugestimmt. Heute sehen wir, dass Sie wortbrüchig geworden sind. Im Kampf um Wählerstimmen wird die SPD zum Höchstbieter beim Mindestlohn. Sie tragen damit ein ganzes Stück dazu bei, dass Landwirte nicht wissen, ob sie morgen noch auskömmlich wirtschaften können; denn Sie handeln an dieser Stelle nicht verlässlich. Auch die AfD buhlt mit dem heutigen Antrag zum Mindestlohn um die Wählergunst der Landwirte. Das ist kaum glaubwürdig bei einer Partei, die die Abschaffung aller EU-Beihilfen für Landwirte fordert. Wir wissen doch: Viele deutsche Bauern sind auf diese Hilfen angewiesen. (Rednerwechsel) Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der SPD zulassen? (Rednerwechsel) Das lasse ich gerne zu. (Rednerwechsel) Herr Kollege Knoerig, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. - Ich möchte Sie gerne mal fragen, ob Sie eigentlich die letzte Mindestlohnerhöhung von 41 Cent angesichts der Inflationsentwicklung in Deutschland für angemessen und für ausreichend halten. Und ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie es eigentlich für angemessen halten, dass gerade in einer schwierigen gesellschaftlichen Situation, in der der Zusammenhalt in Deutschland in Gefahr ist, die Mindestlohnkommission nicht einstimmig entschieden hat, sondern dass sich die Arbeitgeberseite mit der Stimme der Vorsitzenden gegen die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften durchgesetzt hat, sodass der Mindestlohn eben nicht einvernehmlich von den Tarifparteien festgelegt worden ist, sondern einseitig von einer Seite mit Mehrheit bestimmt wurde. (Rednerwechsel) Herr Kollege Dr. Rosemann, ich danke Ihnen für diese Frage. - Sie erinnern sich: In der Mindestlohnkommission werden Gewerkschaften und Arbeitgeber paritätisch eingesetzt, und sie haben das ganze Wirtschaftsfeld zu beachten. Ich habe es vorhin gesagt: Der Preis für Erdbeeren und Spargel hängt sehr wohl davon ab, wie hoch der Mindestlohn ausfällt. Und wir wissen es selber: Bevor wir im April Spargel von unseren Feldern bekommen, bekommen wir schon Wochen vorher welchen aus Griechenland für 4 Euro pro Kilogramm, und unsere Spargelbauern brauchen 14 Euro. Ich will auf das hinaus, was Sie mit der Frage verbinden: ob das angemessen ist, was die Mindestlohnkommission hier mit zweimal 41 Cent bemisst. Sie wissen doch ganz genau, dass Ihre politische Forderung, den Mindestlohn auf 12 Euro anzuheben, im Grunde genommen deren Arbeit konterkariert und kaputtgemacht hat. Und wir als Union haben Ihnen gesagt, wie Sie diese Mindestlohnkommission so reformieren, dass sie am Markt auch entsprechende Zahlen setzen kann. Letztendlich sagen die Betroffenen - und das höre ich insbesondere von denen, die Erdbeeren pflücken, die Heidelbeeren ernten -: Guckt euch die Konkurrenzprodukte gerade aus den südlichen Ländern Europas an! Die sind um die Hälfte günstiger. Wie sollen wir das schaffen? - Und wenn Sie dann noch in der Art und Weise, wie Sie es machen, den Mindestlohn hebeln, dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn gerade den kleinen Betrieben an dieser Stelle die Luft ausgeht. Und ich bleibe dabei: Gerade im Hinblick auf die AfD, einer Partei, die bei den EU-Beihilfen im Grunde genommen ganz klar gesagt hat, diese sollen abgeschafft werden, sage ich noch mal ganz klar und deutlich: Wir wissen doch, viele deutsche Bauern sind auf diese Hilfen aus Brüssel angewiesen. Und schauen wir uns noch mal die Agrardieselrückvergütung an! Da sind Sie lediglich mit einer Verlängerung von ein, zwei Jahren angetreten. Also bitte: Tun Sie nicht so, als wären Ihnen die hiesigen Betriebe lieb und teuer! Letztendlich sind Ihre Forderungen außerordentlich dünn. Wir als Union setzen uns dafür ein, dass die Landwirte spürbar entlastet werden. Wir als CDU/CSU wollen die Agrardieselrückvergütung beibehalten. Wir als CDU/CSU fordern die Tarifglättung und die Risikoausgleichsrücklage für Landwirte. Und als CDU/CSU drängen wir auf die schnelle Umsetzung aller Maßnahmen, die den Ländern von der Ampel versprochen wurden. Einige reden nur; wir haben gehandelt. Schon bei der Einführung des Mindestlohns haben wir die Landwirtschaft bedacht. Wir haben die Zahl der sozialversicherungsfreien Tage von 50 auf 70 angehoben. Und wir haben beschlossen - Herr Kollege Rützel, Sie haben es erwähnt -: Kost und Logis darf angerechnet werden. Auch in der Opposition machen wir den Unterschied. Anfang Januar bin ich mit vielen Kollegen auf die Straße gegangen und habe bei unseren Landwirten und in die Region hineingehorcht. Zu dieser Zeit wurde auch das Wachstumschancengesetz im Bundesrat verhandelt. Wir haben als CDU/CSU nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Landwirte bei Steuern und Bürokratie entlastet werden. Daraufhin sagte die Ampelregierung dem Bundesrat sogar schriftlich zu, zehn Maßnahmen - ich zitiere - „zügig umzusetzen“. Nun kündigte die Ampel gestern ein Entlastungspaket an - auf den letzten Drücker. Wir haben Bauerntag, und da muss man ja auch entsprechend Antworten geben. Ich frage Sie: Was ist nach diesem halben Jahr, nach den Protesten, als Ergebnis dabei herausgekommen? Erstens. Die Tarifglättung wird auf sechs Jahre befristet eingeführt. Darauf haben wir bestanden. Das entlastet die Landwirte immerhin um 50 Millionen Euro im Jahr. Wir sagen: Das ist immerhin ein guter erster Schritt. Zweitens. Die Ampel schafft die Agrardieselrückvergütung bis zum Jahr 2026 ab. Das heißt im Klartext: 500 Millionen Euro entgehen der Landwirtschaft. Drittens. Die Risikoausgleichsrücklage kommt gar nicht erst zustande. Letztlich kommt es zu mehr Bürokratie; das Düngegesetz ist angesprochen worden. Und es ist sehr wohl richtig, dass die Landwirte selber wissen, wie sie das einzuschätzen haben. Liebe Ampelregierung, spürbare Entlastungen für Landwirte sehen anders aus. Und an die SPD gerichtet formuliere ich: Machen Sie lieber Ihre Hausaufgaben, statt mit dem Mindestlohn auf Wählerfang zu gehen! (Rednerwechsel) Die Kollegin Dr. Anne Monika Spallek hat das jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die AfD biedert sich mal wieder mit einem Bauernrettungsantrag an, der x-te Antrag, zu dem ich hier reden darf. Auch wenn es mich immer massiv ärgert, dass immer nur die Männer gerettet werden sollen, so ärgern mich am meisten die ganzen falschen Informationen in diesem Antrag. So behauptet die AfD, dass es eine Folge der Mindestlohnerhöhung sei, dass der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse zuletzt um 2 Prozentpunkte gesunken ist. Dass aber der Selbstversorgungsgrad von Obst im selben Zeitraum um 2,5 Prozentpunkte gestiegen ist, verheimlicht sie. Da frage ich mich: Hat das vielleicht auch mit dem Mindestlohn zu tun? Und was ist die Konsequenz daraus? Das war übrigens der höchste Selbstversorgungsgrad seit 2014 und 2015. Auch der geringe Rückgang beim Gemüse ist kein Trend; denn die Schwankungen sind eher wetterbedingt und klimakrisenbedingt. Und wie man auf diesem Bild schön sieht, auf dem der Selbstversorgungsgrad von Obst und Gemüse dargestellt wird: Der Mindestlohn ist bekanntlich gestiegen, der Selbstversorgungsgrad nicht. - Die Schwankungen haben alle eher mit Extremwetterereignissen zu tun, und die Ausschläge werden mit Sicherheit noch stärker, wenn man nicht ausreichend etwas gegen die Klimakrise tut oder die Betriebe mit Agri-PV schützt. Aber beides hält die AfD ja nicht für nötig. Ja, gerade der Bereich „Obst und Gemüse“ ist von der Klimakrise und der Umweltkrise besonders betroffen - und auch von der Bürokratie. Wir müssen die Betriebe unterstützen, und das tun wir auch. Richtig ist auch, dass das BMEL bereits mehrfach mit Krisenhilfen Betriebe unterstützt hat. Fakt ist auch, dass der Selbstversorgungsgrad auch deshalb so gering ist, weil die Menschen natürlich auch im Winter Bananen oder Erdbeeren essen, und die gibt es hier einfach nicht. Ob das für den Planeten immer so gut ist, sei mal dahingestellt. Aber am meisten ärgert mich, dass die AfD in ihrem Antrag verschweigt, dass sie die Landwirtschaft eigentlich gar nicht mehr unterstützen will. So steht im Grundsatzprogramm klar: „Unsere Mittelstandspolitik ist Ordnungspolitik. Die AfD lehnt Subventionen generell ab. Wir wollen gleiche Regeln für alle - ob groß, ob klein, in jeder Branche.“ Die AfD will mehr Wettbewerb und weniger Subventionen. Kein Geld aus dem Staatshaushalt soll mehr an die Landwirtschaft gehen. Der Markt soll es richten. Ich sage mal, was das für die Landwirtschaft bedeutet: Heute gibt es für die Bäuerinnen und Bauern 4,1 Milliarden Euro Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung, 1 Milliarde Euro für die GAK - viel Geld davon für Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen -, 485 Millionen Euro jährlich für die Kfz-Steuerbefreiung, 6 Milliarden Euro jährlich für die GAP; mehrere 100 Millionen Euro gab es bereits für die Bauernmilliarde, rund 1 Milliarde Euro sind für den Umbau der Tierhaltung geplant. Dazu kommen Krisenhilfen von 180 Millionen Euro und 36 Millionen Euro, die wir ausgegeben haben, 150 Millionen Euro für drei Jahre für die Gewinnglättung, die wir der Landwirtschaft geben, und, und, und. Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende, bitte. Diese Subventionen sind auch wichtig und richtig. Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende, bitte. Ja. - Denn es geht um unsere Ernährungssicherung, und es geht um den Erhalt der Höfe. Herzlichen Dank. (Rednerwechsel) Ich möchte Sie gerne darauf hinweisen, Frau Kollegin: Es gilt das gesprochene Wort, und dazu gehört nicht das Vorzeigen von Säulendiagrammen. Beim nächsten Mal übersetzen Sie das bitte. - Das wissen Sie auch. Für das BSW hat Alexander Ulrich das Wort. (Rednerwechsel) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für das Bündnis Sahra Wagenknecht gilt der Grundsatz: Gleiches Geld für gleiche Arbeit am gleichen Ort, und das unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Was die AfD heute mit diesem Antrag vorgeschlagen hat, ist an Ausländerfeindlichkeit nicht zu überbieten. Schauen wir uns den Titel hier an: „Ausnahmeregelung beim gesetzlichen Mindestlohn für ausländische Erntehelfer“. Sie wollen also, dass ein deutscher Erntehelfer mehr verdient als ein ausländischer Erntehelfer, obwohl die gleiche Arbeit geleistet wird. Ich sage Ihnen: Für diesen ausländerfeindlichen Antrag reicht Ihnen kein Landwirt in diesem Land die Hand, und das zu Recht. Diese Woche sind Bauerntage in Cottbus. Ich habe sehr viele Nachrichten von dort gehört, auch sehr viele Forderungen an die Politik - auch zu Recht. Ich habe vom Bauerntag aber nicht gehört, dass der Mindestlohn zu hoch wäre. Sie haben hier einen Antrag vorgelegt, mit dem Sie auch Ihre grundsätzliche Feindlichkeit gegenüber dem Mindestlohn noch mal dokumentieren. Die AfD wollte noch nie einen gesetzlichen Mindestlohn. Die AfD hat auch immer abgelehnt, dass der Mindestlohn sich erhöht. Auch den letzten Antrag haben Sie abgelehnt. Deshalb sagen Sie doch grundsätzlich: Es geht Ihnen über die ausländischen Erntehelfer auch darum, den Mindestlohn generell wieder abzuschaffen. Das wäre ehrlich. Liebe Menschen im Land, auch gerade in Ostdeutschland, wo viele nur noch für den Mindestlohn arbeiten: Schauen Sie sich an, was die AfD mit Ihnen dort machen würde! Herr Oellers, Sie haben das Thema Mindestlohn hier wieder generell angesprochen, auch mit anderen. Ich sage Ihnen noch mal deutlich: Wir haben eine europäische Mindestlohnrichtlinie. Dort steht drin: 60 Prozent des Medianlohns. Auf dieser Grundlage wäre der Mindestlohn in Deutschland jetzt bei mindestens 14 Euro. Wir als Bündnis Sahra Wagenknecht haben ihn beantragt; alle anderen haben ihn abgelehnt - auch die SPD, auch die CDU, auch die Grünen, auch die AfD. Wir als proeuropäische Partei sagen: Wir wollen nicht nur die Richtlinien umsetzen, die möglicherweise dem einen oder anderen passen; auch sozialpolitische Richtlinien sollten umgesetzt werden. Und liebe Union, wenn Sie das ablehnen, - Herr Kollege, die Redezeit ist um. - Sind Sie antieuropäisch. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Rednerwechsel) Für die SPD-Fraktion hat Natalie Pawlik das Wort. (Rednerwechsel) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss der Debatte möchte ich doch gerne einmal betonen, dass sich das Leid und die Not von Landwirtinnen und Landwirten nicht durch mehr Leid und mehr Not der Saisonbeschäftigten beseitigen lässt. Vielmehr offenbart die AfD mit ihrem Antrag ihren schlechten politischen Stil. Sie greifen komplexe Probleme auf und liefern platte, populistische vermeintliche Lösungen, die jedoch nie die Ursachen des Problems angehen. Sie nutzen die Unsicherheit und Herausforderungen in Teilen der Landwirtschaft, um ausländischen Saisonbeschäftigten den gesetzlichen Mindestlohn zu entziehen, also denen, die sowieso schon wenig haben, die bis zu zwölf Stunden am Tag bei Wind und Wetter auf den Feldern stehen und Spargel stechen oder Erdbeeren pflücken. Doch das werden wir niemals zulassen. Zur Realität gehört auch, dass ein Großteil - im Grunde die überwiegende Mehrheit - der Bäuerinnen und Bauern, der Landwirtinnen und Landwirte ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut behandelt und ihnen mehr als den Mindestlohn bezahlt, weil sie auf gute Beschäftigte angewiesen sind, weil sie mit anderen Betrieben - nicht nur in Deutschland - um gute Arbeitskräfte konkurrieren. Wir wissen aber natürlich auch, dass die Situation der Landwirtinnen und Landwirte nicht einfach ist. Deswegen unterstützen wir sie auch bei den Saisonbeschäftigten. Wenn zum Beispiel ein Landwirt Arbeitskräfte bis zu 70 Tage anstellt, sie also kurzfristig beschäftigt sind, dann hat er keine Sozialversicherungskosten. Wir unterstützen sie aber auch durch Sonderregelungen zur Arbeitszeit, sodass auf den Feldern bis zu zwölf Stunden am Tag gearbeitet werden kann. Und zur Wahrheit gehört auch, dass Unterkunft oder Verpflegung bereits jetzt auf den Mindestlohn angerechnet werden können, sodass dieser am Ende doch unterschritten werden kann. Wir haben den Mindestlohn seinerzeit, 2015, eingeführt. Er stellt eine Lohnuntergrenze dar, um Ausbeutung zu verhindern. Dabei unterscheiden wir nicht zwischen Geschlecht, Nationalität oder Berufsgruppen. Es geht um Respekt für harte Arbeit und um die Menschen, die dieses Land voranbringen. Da kann es keine Ausnahmen geben. Wer Landwirtinnen und Landwirten wirklich helfen will, der spricht über konkrete Entlastungen, der spricht über einen fairen Wettbewerb, der spricht darüber, wie wir die Landwirtschaft in Zeiten des Wandels unterstützen können - der macht das aber nicht auf dem Rücken der Schwächsten im Glied. Von daher lehnen wir diesen Antrag ab. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und einen schönen Feierabend! (Rednerwechsel) Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 20/11940 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Jedoch ist die Federführung strittig. Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wünschen Federführung beim Ausschuss für Arbeit und Soziales. Die Fraktion der AfD wünscht Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Ich lasse zunächst abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktion der AfD. Wer stimmt dafür? Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? Das sind alle Übrigen im Haus. Gibt es Enthaltungen? Das sehe ich nicht. Dann ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt. Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: Federführung beim Ausschuss für Arbeit und Soziales. Wer ist dafür? Das sind die Koalitionsfraktionen, Die Linke und die CDU/CSU-Fraktion. Danke schön. Wer stimmt dagegen? Das ist die AfD-Fraktion. Der Überweisungsvorschlag ist mithin angenommen. Herzlichen Dank dafür. Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung.

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